Wenn ein Automann die Weichen bei den Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) stellen muss, ist das kein alltäglicher Auftrag. Franz Rottmeyers erste Reaktion auf die Nominierung zum ÖBB-Aufsichtsratschef war denn zunächst eher Skepsis. "Warum gerade ich?" Das Anforderungsprofil, ergab die postwendende Recherche des Opel-Austria-Frontman in Aspern bei der zuständigen Ministerin, habe sich praktisch mit seiner Person gedeckt. Zweite Reaktion deshalb: Freude, irgendwie, und auch ein wenig Stolz. Am Donnerstag tritt der Aufsichtsrat zur konstituierenden Sitzung zusammen. Wie sich seine Arbeit bei den Bahnern gestalten werde, könne er noch nicht sagen. Wer aber seinen Arbeitsstil kennt, ahnt, dass keine Schwelle auf der anderen bleibt. Denn der drahtige 62-Jährige, den man gut zehn Jahre jünger schätzen würde, ist ein Mann steter Veränderung. Dass dies im Falle des trägen beamteten Personen- und Güterbeförderers nicht leicht wird, ist ihm eh klar. O-Ton: "Man kann nicht einfach ein System auf das andere übertragen." Ein enger Mitstreiter präzisiert: "Die ÖBB sind ein Gebiet, wo das Wort Veränderung auch Platz greifen wird müssen. Das gefällt ihm." Was dem gebürtigen und bekennenden Steirer in seiner neuen (Zusatz-)Funktion entgegen kommen könnte, ist seine Fähigkeit, die Belegschaft, speziell die Basis, zu motivieren. Schon im Opel-Werk Aspern, das Rottmeyer seit 1994 leitet, hat er sich so die Loyalität der Belegschaft erkämpft. Auch wenn es nicht immer ganz leicht ist, mit diesem "Mann der tausend Ideen" Schritt zu halten. Wo viele Mitarbeiter die Umstellung in Aspern - das Motoren- und Getriebewerk ist im Vorjahr von General Motors (GM) in ein strategisches Joint Venture mit Fiat eingebracht worden, seit Jänner greift die Neustrukturierung - zunächst mit Unbehagen aufnahmen, witterte er gleich neue Chancen. "Unsere Opel-Motoren auch für Fiats!" Mit dieser Einstellung hat Rottmeyer Aspern zur Benchmark gemacht. Von der harten Gangart der US-Konzernmutter GM, die in Europa gerade rigoros Posten streicht und Werke schließt, haben die Wiener deshalb bis jetzt nichts zu spüren bekommen. Insofern gilt Rottmeyer als Glücksfall für den Standort. Wie lange er den Job in Aspern noch machen werde, das frage ihn seine Frau auch fast täglich. In der Regel muss man bei GM mit 65 den Hut nehmen. Rottmeyer, Vater einer erwachsenen Tochter, ist passionierter Freizeitsportler. Ski- und Radfahren sind seine Leidenschaften. Da schätzt er den Naturkontakt, das Herantasten an (körperliche) Grenzen. Ein Zugang, der sich auf seinen Arbeitsstil übertragen lässt. "Ohne Disziplin geht gar nichts." Dass er eisigen Gegenwind gewöhnt ist, muss ihm bei den ÖBB nicht zu Nachteil gereichen. (Andreas Stockinger, DER STANDARD, Printausgabe 6.3.2001)