Peking - In aller Schärfe hat der chinesische Außenminister Tang Jiaxuan am Dienstag die USA vor der Lieferung moderner Waffensysteme an Taiwan gewarnt. Bei einer Pressekonferenz anlässlich der diesjährigen Session des Nationalen Volkskongresses in Peking sagte Tang, die USA sollten "die ernsten Gefahren erkennen". "Die USA sollten ihr wildes Pferd am Rande des Abgrundes unter Kontrolle bringen", betonte der Außenminister. Taiwan sei eine "sehr empfindliche und sehr wichtige Frage" in den Beziehungen. Die amerikanische Rolle beschrieb Tang als einen "wichtigen äußeren Faktor, der der friedlichen Wiedervereinigung der Vaterlandes im Weg steht". Tang warnte insbesondere vor der Lieferung hochmoderner Zerstörer mit dem Aegis-Verteidigungssystem und fortschrittlichen PAC-3-Raketenabwehrsystemen. Dies gebe Taiwan ein "falsches Signal" und werde "eine kleine Gruppe von Unabhängigkeits-Separatisten ermutigen". Es würde zu Spannungen führen und die chinesisch-amerikanischen Beziehungen schädigen. Die Taiwan-Frage sei nur deswegen noch nicht gelöst, weil die USA sich eingemischt hätten und der neue taiwanesische Präsident Chen Shui-bian den "Ein-China-Grundsatz" nicht anerkenne, kritisierte Tang. Auf Fragen, ob die starke Steigerung des chinesischen Militärhaushalts in diesem Jahr um 17,7 Prozent in Taiwan als Bedrohung aufgefasst werden könne, antwortete Tang Jiaxuan, der Anstieg des Militäretats solle nicht "künstlich" mit der Taiwan-Frage verknüpft werden. Das falle in "sehr verschiedene Kategorien". China will Taiwans Opposition verstärkt unterstützen Der Vorsitzende der Politischen Konsultativkonferenz des Chinesischen Volkes, Ye Xuanping, kündigte verstärkte Unterstützung für die Opposition in Taiwan an, die für die Vereinigung mit dem Festland eintritt. Erstmals seit einem halben Jahrhundert war im Jänner wieder eine direkte Schiffsverbindung zwischen der Insel und dem Festland hergestellt worden. Die taiwanesischen Behörden wollten mit der Lockerung des Verkehrsverbots den Weg frei machen für die Aufnahme des direkten Seehandels mit der Volksrepublik. Das Verbot war 1949 aus Sicherheitsgründen verhängt worden, nachdem die nationalchinesische Regierung unter General Tschiang Kai-schek nach ihrer Niederlage gegen die Kommunisten auf die Insel geflüchtet war. Der taiwanesische Präsident Chen Shui-bian hatte die Volksrepublik in seiner Neujahrsbotschaft aufgefordert, sein Land nicht länger zu bedrohen, sondern durch kulturelle und Handelsbeziehungen einen dauerhaften Frieden zu schaffen. Chen hatte nach seiner Wahl im Frühjahr vergangenen Jahres die Forderung seiner Demokratischen Fortschrittspartei nach Eigenstaatlichkeit der Insel zurückgeschraubt; er verzichtete darauf, die Frage in einer Volksabstimmung klären zu lassen. Chens Amtsvorgänger Lee Teng-hui hatte Peking mehrfach mit der Aussage provoziert, beim Verhältnis zwischen der Volksrepublik und Taiwan handle es sich um Beziehungen auf gleicher Ebene "zwischen zwei Staaten". Mit der Wahl des Oppositionellen Chen Shui-bian wurde die Herrschaft der einstigen Einheitspartei Kuomintang beendet. Das nationalistische Kuomintang-Regime hatte sich 1949 nach dem Sieg der Kommunisten im chinesischen Bürgerkrieg auf die Insel geflüchtet. Bis 1971 hatte es den chinesischen UNO-Sitz inne. (APA/dpa/Reuters)