Inland
"Offensichtlich soll mit allem, was links ist, Schluss sein"
Alt-Bundeskanzler Vranitzky kritisiert Regierung und SPÖ
Wien - Kritik an der ÖVP-FPÖ-Regierung kommt von Alt-Bundeskanzler Franz Vranitzky. Die Republik Österreich könne man nicht
wie eine Aktiengesellschaft führen, meinte der frühere SPÖ-Chef am Dienstag am Rande eines Vortrages am Pädagogischen Insititut der Stadt
Wien. Um ein ausgeglichenes Budget zu erzielen, stutze die Bundesregierung den Wohlfahrtsstaat, "eine der größten Errungenschaften des 20.
Jahrhunderts", zurück.
Diese Form der Politik sei nach Meinung Vranitzkys nicht allein mit budgetpolitischen Maßnahmen zu erklären. "Offensichtlich soll mit allem,
was links oder linksliberal ist, für mehrere Jahre Schluss sein - ob in den Sozialversicherungen oder in der ÖIAG." Der Alt-Kanzler zeigte
"Sorge", dass sich die Menschen an dieses Vorgehen gewöhnen. Es dürfe aber "keine Gewöhnung" geben. "Da sind mir doch die Stimmen zu
leise - in aller Freundschaft."
Kritik übte Vranitzky auch an der FPÖ und ihrem einfachen Parteimitglied Jörg Haider. "Ich würde Haider auch heute nicht in die Regierung
holen. Ried war ein Kostprobe dafür, warum die FPÖ nicht in die Bundesregierung gehört", so Vranitzky in Anspielung auf Haiders Aussagen
beim politischen Aschermittwoch in der vergangenen Woche. Die "unsinnige und unnütze Regierungspräambel" werde "fast wöchentlich
unterfahren und missachtet".
Auch die SPÖ blieb nicht ganz ungeschoren. "Es darf in Grundsätzen keine Kompromisse geben", so Vranitzky. Mit den Kontakten der SPÖ zur
FPÖ - zum Zwecke der Unterstützung einer SPÖ-Minderheitsregierung - rund um die Regierungsbildung vor einem Jahr habe ein "festes Netz
der Glaubwürdigkeit Risse bekommen". Und weiter: "Ich hege die sichere Auffassung, dass es ein Fehler war, dass die SPÖ bei der letzten
Bundespräsidentenwahl keinen Kandidaten nominiert hat. Eine staatstragende Partei muss ihren Wählern auch dann einen Kandidaten anbieten,
wenn die Aussichten auf Erfolg gering sind."
Die Oppositionsrolle sei für die SPÖ ein "sehr hartes Brot". Vranitzky: "Wir wollen zwar nicht ein 'Kanzlerwahlverein' sein, aber natürlich ist es
für eine Partei wertvoll und wichtig den Kanzler zu stellen. Ich hoffe, dass uns der Zeitfaktor hilft." (APA)