Wien - Warnung an alle vom Klimt-Gold geblendeten Zuckerpuppen, die sich eilig dem Gastronomiebetrieb im Oberen Belvedere nähern, um, wie es Martin Kippenberger einmal formuliert hat' "die Gabel tief in den Kuchen zu hauen". Unterm himmelblauen PVC, der vorm Café ausliegt, schlummert keine Schaum-sondern die Kartonrolle, um die der Bodenbelag kürzlich noch gewickelt war. Marcus Geiger, Meister hintergründiger Irritationen, hat sie da liegen lassen. Also, Augen auf, Leute! Der seit 1978 in Wien lebende Schweizer hat in der Österreichischen Galerie ein Kammerspiel namens Eugen inszeniert, das vor Augen führt, was Fürst Barock und Bettler Trash gemeinsam haben: schwebende Leichtigkeit, Eleganz und Verführung durch Verpackung. Denn Geiger überzieht die Welt mit buntem Frottée, ob es nun ein russischer Panzer oder ein Klorollenhütchen ist. Plastikkübel und Milchpackung, Nadelfilz und Karton, Textil und Blech - billiges Material, Found Footage aus dem Supermarkt sind der Stoff, aus dem Geiger seine Subversionen baut: Er unterläuft das heilige Ready-Made-Prinzip Marcel Duchamps, das die Aufwertung des banalen Alltagsobjekts durch künstlerische Handauflegung propagierte, indem er jederzeit bereit ist, das temporär sanktionierte Kunstwerk wieder seiner ursprünglichen, trivialen Bestimmung zu übergeben. Hier gilt vita longa, ars brevis, denn die Matratzen mit den frühlingshaften Frottéeüberzügen, die Kartontische und Badetücher werden nach der Ausstellung wieder ihren alltäglichen Dienst versehen. Und dennoch: Bei allem redlichen Bemühen um die Profanisierung der Kunst - auch Heroen von Donald Judd bis Bruce Nauman entgehen dem Geigerschen Spott nicht - die Assemblage ist ein Hammer. Die sorgsam zusammengestellten Werkzitate eines notorischen Unterbieters ergeben ein Tableau von koloristischer Raffinesse und präziser skulpturaler Setzung. Geist, Witz und Ironie haben den Arbeiten Geigers schon immer ein ultimatives "sparkling brut" verliehen. Die Wiener Secession war wiederholt Austragungsort seiner einprägsamen und prägnanten Interventionen. Ob es die schwarze Mütze war, die er dem Kuppellorbeer umstülpte oder die spektakuläre Färbelung im schlampigen Rouge vulgaire zum 100. Geburtstag, immer ging es auch um "institutional critique" in ihrer schwerelosen Form. War es im Falle der Künstlervereinigung das Zerbröseln des Mythos White Cube, kratzt Geiger am Image des Bauherrn und reduziert den edlen Ritter auf die grindigen Wollmützen einer Schweizer Popband gleichen Namens. "Was kann einem Regisseur Besseres passieren, als dass eine Oma mit dem Stock nach ihm schlägt?": Heiner Müllers Peymann-Würdigung sei Belvedere-Kurator Thomas Trummer ans Herz gelegt, wenn sich etwa jemand provoziert fühlen sollte. Bis 1. 7. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 7. 3. 2001)