Ökologie
Eine Hoffnung zu viel <br>(ungustiöse Umtriebe in der Landwirtschaft)
Von Walter Müller
Ja, natürlich reicht es irgendwann einmal. Man will von den ungustiösen Umtrieben in der Landwirtschaft, die einem den
Appetit verderben, im Grunde nichts mehr hören und sehen. Aber die Welt der Scholle ist unbarmherzig und stößt uns leider
auf immer neue Details aus dem Graubereich der heimischen Landwirtschaft.
Nach all den Skandalen in der Tiermast bleibt auch der letzte bisher "unbescholtene" Agrarbereich - der Getreide-,
Gemüse-und Obstbausektor - nicht weiter verschont. Schon länger floriert hier ein schwunghafter Importhandel mit - zum Teil
in Österreich nicht zugelassenen - Pflanzenschutzmitteln. Österreichische Firmen umgehen die hiesige Mehrwertsteuer und
beliefern die Bauern von Zweigstellen in Luxemburg aus, wo nur drei Prozent Steuern abzuliefern sind. Die Justiz prüft, ob
alles legal abläuft. Inzwischen wird bereits mehr als die Hälfte der in Österreich eingesetzten Pestizide über Luxemburg ins
Land und an den Behörden vorbeigeschleust. Und niemand weiß exakt, welche Pflanzenschutzgifte eingeführt und in welcher
Dosis sie auf unsere Äcker versprüht werden. Spitzenbeamte klagen, dass ihnen die Hände gebunden sind, um den Import
und den Einsatz dieser oft hochgefährlichen Gifte in der Landwirtschaft effektiv zu kontrollieren. Zum einen ist das Gesetz
lückenhaft, zum anderen fehlen Beamte.
Was lernen wir aus alldem? Die Agrarlobby hat in den letzten Jahren ganz offensichtlich ganze Arbeit geleistet. Und mithilfe
der Politik eine unerträgliche Situation am Lebensmittelsektor geschaffen, in der fast alles möglich ist. Bleibt wohl letztlich
nur die Hoffnung auf die Vernunft der Bauern. Wie die Erfahrung aus den Affären um den illegalen Einsatz von Arzneien in der
Schweinemast zeigte: Es war meist eine Hoffnung zu viel. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 7. 3. 2001)