Bild nicht mehr verfügbar.

Foto: Archiv
Houston/Wien - "Die Russen verstehen ihr Handwerk, die haben schon über hundert Progress-Raketen an derselben Stelle zum Absturz gebracht, an der die Mir herunterkommen soll", erklärt Jesco von Puttkamer (Nasa-Chefplaner für bemannte Raumfahrt) dem STANDARD, "für Hysterie in Österreich besteht absolut kein Anlass. Passieren kann natürlich immer etwas." "Noch vor dem geplanten Absturz könnten die Computer der Mir ausfallen", ergänzt Viacheslav Lisitsin, stellvertretender Chef der russischen Raumbehörde Ras, "für solche Fälle haben ein Notteam vom zwei Kosmonauten bereitstehen. Insgesamt liegt das Risiko, dass der kontrollierte Absturz misslingt, bei etwa einem Prozent. Da muss sich niemand fürchten." "Wenn sich überhaupt jemand fürchten müsste, dann die Japaner", ergänzt wieder Puttkamer, "ihr Land ist das letzte, über das die Mir fliegt." Dabei wird sie in starkem Sinkflug sein, der von den Triebwerken einer Progress-Rakete ausgelöst wird, die an die Mir angekoppelt ist. Sie soll die Mir aus 240 Kilometern Höhe so gezielt nach unten schießen, dass sie in einer menschenleeren Zone im Pazifischen Ozean niedergeht. Die Zone ist groß - 5000 bis 6000 Kilometer lang, 200 Kilometer breit -, denn auch die Mir ist groß: Sie misst 26 mal 27 mal 5,31 Meter und wiegt 130 Tonnen. Das meiste soll verglühen, aber "25 Tonnen Bruchstücke" kommen nach Lisitsins Schätzung bis zum Ozean herunter. Wann sie herunterkommen, ist noch nicht bekannt, auf alle Fälle nicht vor dem 15. März - Schreckenskarten, die die Mir genau über Österreich zeigen, zeigen den 8. März. Dass man den Termin noch nicht bestimmen kann, liegt an der Sonne, deren "Wind" die Dichte der Erdatmosphäre beeinflusst. "Uns hat die Sonne einmal einen Strich durch die Rechnung gemacht", berichtet von Puttkamer über ein wenig geglücktes Rückholmanöver, das des Nasa-Skylab, von dem Teile über Australien niedergingen, "wir wollten Skylab auf einen höheren Orbit bringen, aber es kam zu früh herunter." Ein höherer Orbit wäre auch die einzige Überlebenschance für Mir, aber sie bleibt theoretisch: "Man bräuchte dazu viele Progress-Raketen", erklärt Österreichs Astronaut Franz Viehböck, "die sind einfach nicht da." Deshalb muss sie herab. "Wir schließen nahezu aus, dass Österreich betroffen sein wird", beruhigt auch Helmut Prugger - ihm untersteht der Zivilschutz in Österreichs Innenministerium -, "nach allen uns vorliegenden Meldungen wird der Absturz planmäßig verlaufen." Falls doch nicht, schätzt Prugger die Vorwarnzeit auf "zwei Tage". Wovor aber dringlichst zu warnen ist, sind angebotene Sightseeing-Flüge zum Millenniums-Feuerwerk. "Das ist völlig verrückt und wirklich riskant", mahnt Puttkamer. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 7. 3. 2001)