Hamburg/Berlin - Die deutsche Wirtschaft hat vorgeschlagen, NS-Zwangsarbeiter zunächst aus Steuergeldern zu entschädigen. Der Sprecher der Wirtschaft in der Stiftunginitiative "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft", DaimlerChrysler Vorstandsmitglied Manfred Gentz, begründete diesen Vorschlag laut "Spiegel Online" vom Dienstag mit dem Drängen auf eine möglichst schnelle Entschädigung. Andernfalls würden viele der 1,2 Millionen ehemaligen Zwangsarbeiter die Auszahlung nicht mehr erleben. In einem Brief an den Regierungsbeauftragten Otto Graf Lambsdorff schrieb Gentz laut "Spiegel Online", die von deutschen Wirtschaftsunternehmen zur Verfügung gestellten und eingefrorenen Entschädigungsgelder sollten nicht angerührt werden, solange es keine Rechtssicherheit für deutsche Unternehmen vor weiteren Klagen in den USA gebe. Gegenstimmen Die Vertreter von SPD, FDP, PDS in der Stiftungsinitiative lehnten den Vorschlag von Gentz laut "Spiegel Online" ab. Geltendes Recht sei, dass Entschädigungen für die Opfer erst dann möglich seien, wenn laufende Gerichtsverfahren in den USA gegen deutsche Unternehmen in dieser Angelegenheit abgeschlossen seien. Der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion Dieter Wiefelspütz erklärte demnach, es werde wegen dieses Briefes kein neues Gesetzgebungsverfahren begonnen. Der einzige Befürworter des Gentz-Vorschlages ist der Bundestagsabgeordnete Volker Beck (Grüne). Die Wirtschaft zeige einen Weg, wie es zu einem schnellen Auszahlungsbeginn auch ohne Rechtssicherheit kommen könne, sagte Beck laut "Spiegel Online". Beck erklärte am Dienstag in Berlin, wer eine Gesetzesänderung ablehne, muss auch die Verantwortung für eine weitere Verzögerung der Entschädigungszahlungen tragen. "Heilfroh" Lambsdorff wolle Gentz zunächst schriftlich antworten, bevor er sich zu dem Vorschlag äußere, erklärte sein Büro in Berlin. Am Dienstag teilte Lambsdorff in der Talkshow "Koschwitz" auf N24 mit, dass der US-Unterhändler Stuart Eizenstat in den nächsten zwei Monaten Sonderbevollmächtiger in den Verhandlungen um die Entschädigungen bleibe. Er sei "heilfroh" über diesen Ansprechpartner, sagte Lambsdorff, der über großen Einfluss bei den Verbänden, den Anwälten und bei der Jewish Claims Conference verfüge. Am Montag hatte Lambsdorff die Wirtschaft noch davor gewarnt, neue Hürden für die Auszahlung aufzubauen. Nach Angaben von "Spiegel Online" kritisierte Lambsdorff ein Rechtsgutachten von US-Anwälten der beteiligten deutschen Unternehmen in der Stiftungsinitiative. Diese raten demnach, eine Klage in Kalifornien gegen den Baukonzern Hochtief als Testfall für die Rechtssicherheit für deutsche Unternehmen abzuwarten. Diese Entscheidung wird im Juni erwartet. Bisher galt ein vor dem Abschluss stehendes Verfahren in New Jersey als Test dafür, ob mit den Zahlungen der Stiftungsinitiative Rechtssicherheit vor weiteren Klagen besteht. "Man kann nicht einen Fall nach dem anderen zum Testfall erklären", sagte Lambsdorff. Das würde die Auszahlungen bis in das nächste Jahr hinein verzögern. Der Vorstandsvorsitzende des Stiftungsfonds des Bundes und der Deutschen Wirtschaft zur Entschädigung von NS-Zwangsarbeitern, Michael Jansen, hatte am Montag noch die Hoffnung geäußert, dass noch vor Ostern erste Gelder an Nazi-Opfer ausgezahlt werden können. "Die Zeichen stehen nicht schlecht", sagte Jansen in Bad Arolsen bei Kassel. (APA)