Wien - Zwölf Prozent bei den Wiener Wahlen sind für den Grünen Bundessprecher Alexander Van der Bellen die Untergrenze. "Wenn das Ergebnis darunter liegt, werde ich sehr enttäuscht sein", so Van der Bellen in der "Wiener Zeitung" (Donnerstag-Ausgabe). Die Chancen auf eine rot-grüne Koalition steigen laut Van der Bellen dann, wenn die ÖVP stark zulegt und als dritten Stadtrat jenen für Finanzen fordert. Dann könnte die SPÖ doch in Richtung Grüne umschwenken. Derzeit würden die Grünen ihr Potenzial nur zu einem Drittel ausschöpfen. Erfreulich ist für ihn, dass sich mit der breiteren Basis auch das Spektrum der potenziellen Wähler geändert hat: "Zum ersten Mal gelang es uns, auch Arbeiter anzusprechen." Vor allem Nicht-Wähler oder SPÖ-Dissidenten konnten von grünen Themen überzeugt werden. "Wir setzen auch bei dieser Wien-Wahl auf frustrierte SPler als Zielgruppe." Der Anteil der Pensionisten sei im Ansteigen, doch den meisten Zuspruch gäbe es von Wählern unter 40. Der richtige Zeitpunkt Über den richtigen Zeitpunkt, um eine Koalition einzugehen, werde jetzt natürlich verstärkt nachgedacht, so Van der Bellen. Wien sei zwar gut verwaltet, könnte aber im Kultur- und Umweltbereich weitaus spannender werden. Die Grünen hätten hier die probaten Gestaltungsalternativen anzubieten. "Seit Oktober '99 wissen wir, dass wir uns in der Opposition nicht auf Dauer pragmatisieren können." "Ich weiß auch, dass beim Regieren Kompromisse notwendig sind." Aber man dürfe dabei die Identität nicht über Bord werfen. Es gibt Knackpunkte, von denen nicht abgewichen werden kann: "Die Lobau-Autobahn darf mit uns in Wien nicht gebaut werden. Da geht es an die Substanz. Doch nicht alles, wogegen wir wettern, ist unser Herzblut." Es sei notwendig, die Lage realistisch einzuschätzen: "Man muss erkennen, wo man gestaltend eingreifen kann und wo der Zug abgefahren ist." Deutsche Grüne kein Vorbild Van der Bellen warnt vor den Fehlern der deutschen Kollegen, die sich mit der Forderung nach dem totalen Ausstieg aus der Kernkraft die Latte unrealistisch hoch gelegt hätten. So sei die von den Grünen vehement bekämpfte Umfahrung B301 zwar mit größten Anstrengungen, womöglich aber nur mit Gesichtsverlust der SPÖ, zu stoppen, gibt der Realist zu bedenken. Hier müsste ein für beide Seiten tragbarer Kompromiss gefunden werden. Für eine grüne Regierungsbeteiligung wäre natürlich der Posten des Umweltstadtrates höchst interessant, aber nicht die ultimative Bedingung. (APA)