Wien - "Ich habe gehört, dass die Ankündigung der Männerabteilung im Sozialministerium ein Faschingsscherz sein könnte. Wisst ihr davon?" Die Gruppe von Frauen, die sich um den runden Konferenztisch versammelt hat, beginnt zu diskutieren. Ja, nein oder doch? Ein kurzer Anruf bei einer Kollegin. Nein, es scheint zu stimmen. Die Redaktionskonferenz von dieStandard.at geht weiter. Wie jeden Montagabend. Zitronenvorschläge, Interviewtermine, Anfragen, Schwerpunktseiten, Chatgäste. Alle Vorschläge werden besprochen. Qualität im Netz "Die tägliche Berichterstattung sowie die Angebundenheit an eine Qualitätszeitung war der Verbreitung von Frauenthemen im Netz sehr zuträglich", resümiert Birgit Weiss, Obfrau der Webwomen, nach einem Jahr dieStandard.at. Am 8. März 2000, pünktlich zum Internationalen Frauentag, war das erste und bisher einzige tagesaktuelle Frauen-Onlinemedium im deutschsprachigen Raum im Internet abrufbar. Entstanden und belebt durch die Zusammenarbeit von Redakteurinnen der Onlineredaktion und des STANDARD. Die Reaktionen auf den Start kamen aus Deutsch- land, der Schweiz und Österreich. Glückwunsch-E-Mails und Medienberichte begleiteten dieStandard.at von Beginn an. Eine Nutzerinnenumfrage des Vorjahres bestätigt den Weg, den die Redakteurinnen inhaltlich eingeschlagen haben. Sichtbare Frauen Besonderes Interesse rufen Themen aus den Bereichen Politik, Wirtschaft und Beruf hervor. Mode und Lifestyle sind von den Leserinnen nicht gefragt. "Frauen und ihre Anliegen werden durch dieStandard.at im politischen Alltag sichtbarer", bestätigt auch Barbara Prammer, Frauenvorsitzende der SPÖ. Viele Leserinnen und Leser schätzen die spezifische Berichterstattung. "In dieStandard.at finde ich all das, was mir die allgegenwärtigen Männermeinungsmacher vorenthalten", sagt die Psychotherapeutin und Autorin Rotraud Perner. Wie sehr dieStandard.at gerade für junge Frauen eine fix institutionalisierte Anlaufstelle ist, zeigen bereits mehrere Seminararbeiten über den Aufbau, Inhalt und die Mitarbeiterinnen der Seite. Spitze Feder Bereits nach drei Monaten Bestehen konnte dieStan- dard.at den Förderpreis für Journalistinnen, "Spitze Feder", entgegennehmen, ohne sich dafür beworben zu haben. Einstimmig würdigte die Jury "Themenwahl und Gestaltung" der Seite und den "zeitlichen Aufwand, Engagement und Tatkraft" der Frauen aus der Redak- tion. Besondere Aufmerksamkeit erreicht immer wieder die "Zitrone", eine "Auszeichnung" für frauenfeindliche Strukturen, Aussagen und Handlungen. Mehr als 100 saure Südfrüchte mussten bisher vor allem in den Bereichen Medien, Werbung und Sport verliehen werden. Das lobende Zuckerl für Positives konnte leider noch nicht so oft vergeben werden. Nächsten Montag, Sitzung, nächste Diskussion: neue Zitronen. Ideen zur Weiterentwicklung der Seite entstehen immer wieder spontan und überlegt. Für deren Umsetzung fehlen aber oft die Ressourcen. Immerhin stehen neben 20 Stunden Projektleitung seit kurzem 46 Personalwochenstunden sowie ein geringes Kontingent an freien Mitarbeiterinnen zur Verfügung. Die Zugriffe auf dieStandard.at steigen seit Beginn des Internetauftritts kontinuierlich an. Derzeit liegen sie bei rund 230.000 im Monat. Die typische Leserin ist zwischen 20 und 40 Jahren und hat entweder Matura oder einen Studienabschluss. Damit liegt sie in der Tradition des Verlagshauses. Gute Geschichten Barbara Coudenhove-Kalergi, Publizistin, ist "gespannt, was aus dieStandard.at wird und wie viele Nachahmerinnen sich finden." dieStandard.at "auf Papier" wünscht sich nicht nur Barbara Klein vom kosmos.frauenraum. Dieser Wunsch wird immer wieder an die Redaktion herangetragen. Brigitte Handlos, Vorsitzende des Frauenmediennetzwerkes und ORF-Journalistin, scheut sich nicht zuzugeben, "dass ich mir gelegentlich ein Thema von dieStandard.at abschaue". Schließlich bleibe eine gute Geschichte eine gute Geschichte.