New York - Jahrzehnte lang wetterte der
"Medien-Ökologe" Neil Postman gegen das
kommerzielle Fernsehen. In seinem Bestseller "Wir
amüsieren uns zu Tode" (1985) drohte er dem
Heimatland USA, es werde an der Entleerung der
Inhalte im (Fernseh-)Bild noch geistig zu Grunde
gehen. Mittlerweile hat Postman einen weiteren
Feind der abendländischen Kultur gefunden: Die
global vernetzte Computerwelt. Der Professor an
der New York Universität wird an diesem
Donnerstag (8. März) 70 Jahre alt.
Mit dem Propheten Jeremias, der ein halbes
Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung den
Untergang des Reiches Juda verkündete, wird
Postman auf beiden Seiten des Atlantiks
verglichen,jedenfalls von der Leserschaft seiner
Bestseller-Bücher. Die Menschheit werde in der
Informationsflut des Info-Highways ertrinken,
warnt er und malt das Gespenst einer
"allgemeinen Orientierungslosigkeit" an die Wand.
Kritik an Simplifizierungen
So wie Postman von seinen Fans verehrt wird, so
ist er in der Fachwelt umstritten. Ernsthafte
Medienwissenschafter kritisieren an Postman,
dass er zu Gunsten seiner Denkgebäude die
methodische Genauigkeit vernachlässige. Seine
Theorien seien zwar stets amüsant zu lesen, oft
aber empirisch nicht haltbar. Kritisiert wird an
Postman auch sein Hang zu plakativen
Simplifizierungen.
Ein gutes Besipiel dafür: Wir leiden an "kulturellem
Aids", sagt Postman in übertragenem Sinn, weil
unser "Immunsystem unter der ungefilterten
Informationsflut zusammenbricht". Außerdem
verarme die weltweite On-Line-Gemeinschaft
sinnlich, wenn sie mit Computer-Shopping,
Computer-Studium und Computer-Erotik das volle
Leben ersetze. Als Rezept verordnet er, einen
Computer nur zum Programmieren zu verwenden.
Papier und Filzstift
Ein weiterer Punkt der Kritik lautet, dass hinter
Postmans Medienkritik immer wieder verzopfte
kulturkonservative Ansichten durchschimmerten.
Anstatt sich "neuen" Medien wie dem Fernsehen
oder nun eben dem Internet neutral zu nähern
und ihre Auswirkungen auf die Gesellschaft zu
untersuchen, gelte stets: neu ist schlecht.
Postman scheint derartige Beurteilungen zu
bestätigen, denn er selbst greift weiterhin ganz
"klassisch schriftkulturell" zu Papier und Filzstift,
um seine Gedanken festzuhalten und ein neues
Buch zu konzipieren. Sein letztes Werk, "Die
zweite Aufklärung. Vom 18. ins 21. Jahrhundert"
erschien 1999. Bestseller wurden "Das
Verschwinden der Kindheit" (in Deutschland
1984), "Die Verweigerung der Hörigkeit" (1988)
und "Das Technopol. Die Macht der Technologien
und die Entmündigung der Gesellschaft" (1992).
Der Vater von drei erwachsenen Kindern hatte
seine Karriere als Volksschullehrer begonnen. Und
so hofft er auf den Einfluss der Schulen, die
Informationsflut zu stoppen. In seinem Buch
"Keine Götter mehr. Das Ende der Erziehung"
(1995, Berlin Verlag) empfiehlt er Lehrern, Respekt
vor der Umwelt zu vermitteln und eine Ethik, die
auf den Grundsätzen der großen Religionen
aufbaut - statt den Umgang mit Computern zu
lehren. (APA/red)