Kunst und Kultur
Feministischer Porno
Ein Bericht für dieStandard.at von Nathalie Roller aus Frankreich
Seit einiger Zeit macht in Frankreich ein Pornostarlett von sich reden: Ovidie lässt sich von Talkshow zu Talkshow weiterreichen, um zu beweisen, dass Feminismus auch in der Pornoindustrie möglich ist.
Fast 21 Jahre ist sie alt, hat ein Philosophiestudium begonnen und werkt seit 2 Jahren vor und hinter den Kameras der Pornoindustrie. "Ich habe nur auf meine Volljährigkeit gewartet", erklärt Ovidie im Gespräch,"schon mit 16 wollte ich unbedingt Pornos drehen." Ein etwas seltsam anmutender Berufswunsch. Vor allem für ein Mädchen wie Ovidie, dass bereits im zarten Alter von 14 Jahren einer extrem-feministischen Gruppierung beitrat und sich selbst als militant bezeichnet.
"Für die Frauen meiner Gruppierung war natürlich die Pornographie gleichzusetzen mit der Erniedrigung der Frau. Doch ich dachte, dass schlussendlich auch die Männer durch die Pornoindustrie erniedrigt würden. Weil in den meisten Fällen eine rein mechanistische Sicht der Sexualität vermittelt wird." Also verliess sie die Frauengruppe und entdeckte, dass in den USA bereits in den 70-er Jahren Pornos gedreht wurden, die die Darstellerinnen nicht zum hilflosen Objekt männlicher Begierden degradierten, sondern das Bild einer starken, agierenden Frau vermittelten.
"Allerdings," warnt Ovidie vor allzuviel Optimismus, "darf man nicht vergessen, dass von den 20 000 jährlich weltweit produzierten Pornofilmen, die Mehrzahl nach wie vor eine für mich kalte und industriell anmutende Sexualität propagieren. Da ist also noch einiges zu tun."
Und sie tut es. Mit vollem Körpereinsatz. Der Schritt vor die Kameras der Pornoindustrie fiel ihr nicht allzuschwer, da sie im Laufe einer Tanzausbildung erkannt hatte, dass sie mit ihrem Körper viel mehr auszudrücken vermochte als mit blossen Worten. "Die Leute vergessen immer, dass wir Schauspieler sind. Ich selbst habe vor der Kamera noch niemals Lust empfunden, also muss ich sie spielen. Es ist ein Job wie jeder andere", erklärt sie ihren scheinbaren Mangel an Schamhaftigkeit. Doch da sie ihren Job auch und vor allem als feministischen Auftrag versteht, war der Schritt hinter die Kamera nur eine logische Folge. Der erste Pornofilm unter ihrer Regie ist bereits auf Video erhältlich und nennt sich "Orgie en noire" (Orgien in Schwarz).
Der zweite kommt bald auf den Markt. Auf die Frage, wo denn der Unterschied zwischen ihren Filmen und denen der üblichen Pornoindustrie liege, erklärt sie, dass sie ein positives und lustvolles Bild der Sexualität vermitteln möchte. "Das bedeutet zuallererst, dass ich meine Darsteller als Schauspieler begreife und ihren ganzen Körper in Szene setze. Ich verzichte grösstenteils auf Detailaufnahmen und auf gewisse erniedrigende sexuelle Praktiken, wie sie im Pornobusiness üblich sind. Ich möchte Filme drehen, die Frauen und Männern gefallen, die sich bislang vom Porno abgestossen fühlten."
Mittlerweile hat auch die klassische Filmindustrie Ovidie für sich entdeckt. In "Mortal Transfer", dem neuen Film von Jean-Jacques Beneix ("Betty Blue", "Diva"), der letztens auf den Berliner Filmfestspielen vorgestellt wurde, hat sie eine kleine Rolle. Andere Angebote folgten auf den Fuss. "Auch wenn es mir viel Spass gemacht hat mit Beneix zu arbeiten, ist es mir kein besonderes Anliegen in die klassische Filmindustrie einzusteigen. Ich bleibe lieber bei meinem Porno."
Nathalie Roller, Journalistin, arbeitete für den ORF und lebt jetzt in Frankreich.