Wien - Die deutsche Feministin und Herausgeberin des Magazins "Emma", Alice Schwarzer, konstatiert in Österreich derzeit zwei "interessante Phänomene": Einerseits werde ein "neuer ungenierter Macho-Kult" gepflegt, etwa bei den "feschen Burschen rund um Haider", die am liebsten ohne Frauen und unter sich seien. Andererseits werde gleichzeitig von ÖVP und FPÖ versucht, mit dem "Faktor Frau" gezielt zu spekulieren. Einige Frauen, etwa FPÖ-Wien-Spitzenkandidatin Helene Partik-Pable, würden benutzt, um zu zeigen, dass auch in der "Burschenpartei" Frauen mitreden könnten. "Der feministische Lack ist aber sehr dünn und durchsichtig", kritisiert sie. Konkrete Vorschläge hat Schwarzer für die von Sozialminister Herbert Haupt (F) geschaffene Männerabteilung: Sie könnte den "Männlichkeitswahn" erforschen, der ihrer Ansicht nach für die um durchschnittlich sieben Jahre geringere Lebenserwartung des männlichen Geschlechts verantwortlich ist. Dass von der ÖVP-FPÖ-Regierung das Frauenministerium abgeschafft und die Frauenagenden einem Mann übertragen wurden, sei ein "Signal an die Männerwelt". Grundsätzlich könne zwar auch ein "guter Mann" gute Frauenpolitik machen, im Fall von Haupt, Mitglied einer schlagenden Verbindung, ginge die jedoch wohl eher in Richtung einer verstärkten Männerbündelei. "Frauen brauchen Linie und machen sich dünne" Vom Vorwurf der Scheinheiligkeit in Bezug auf Frauen nimmt Schwarzer aber keine Partei aus. Auch die linken Parteien seien männerbündisch strukturiert, etwa die SPD des "gerne demonstrativ zigarrenrauchenden in trauter Männerrunde palavernden deutschen Kanzlers Gerhard Schröder". Allerdings gäbe es da durchaus "graduelle Unterschiede". Mehr Frauen in die Politik zu bringen vergrößere zwar ihre Präsenz, sei aber ohne eine für Frauen ausgerichtete Politik zu wenig. Dass aber inzwischen praktisch keine Partei sich noch leisten könne, sich offen als Männerpartei zu deklarieren, sieht die Feministin durchaus als Erfolg der Frauenemanzipation. Für sich persönlich schließt Schwarzer eine Parteikarriere aus. Mit der Zeitschrift EMMA, die sie seit rund 25 Jahren leitet, könne sie wesentlich mehr bewegen als etwa eine Frauenministerin. Das Magazin zeige immer wieder wichtige Themen auf, etwa die gefährliche "Hungersucht" junger Mädchen und Frauen. Das den Frauen aufoktroyierte Schlankheitsideal habe längst epidemische Ausmaße und führe in einem von zehn Fällen sogar zum Tod: "Männer brauchen Profil, Frauen brauchen Linie und machen sich dünne", kritisiert sie. "Frauenfalle" Kindergeld Eine klassische "Frauenfalle" ist für die Feministin das vor kurzem beschlossene Kindergeld in Österreich. Wenn Frauen mit einem niedrigen Fixbetrag möglichst lange zur Kinderbetreuung zu Hause animiert würden, falle der Wiedereinstieg in den Beruf immer schwerer. "Während der Kinderpause machen die Väter im Beruf ihren ersten Karrierre-Sprung, die Mütter erleiden den ersten Karriere-Knick". Statt langen Betreuungszeiten mit niedrigem Fixbetrag plädiert sie im Sinne des schwedischen Modells für ein Jahr "Elternzeit" mit 75 Prozent des letzten Gehalts, geteilt auf Mutter und Vater. Dadurch würde das Argument der Männer gegen die Väterkarenz wegfallen, die Familie könne sich den Wegfall ihres höheren Einkommens nicht leisten. Dass sie selber bei vielen Männern als "Feindbild" gilt, damit hat die 58-Jährige leben gelernt. Zwar wolle jeder Mensch, natürlich auch sie, am liebsten von allen geliebt werden. Aber Feminismus sei Kampf für die Interessen der Frauen, und in jedem Kampf müsse ein Preis gezahlt werden. Bedauerlich sei, dass statt einer sachlichen Debatte meist nur mit Hass, Häme und persönlichen Untergriffen agiert werde. Dass ihr dabei das "Frau-Sein" abgesprochen werde, störe sie weniger. "Schmerzlich sind aber die Hass-Tiraden einiger Frauen", gesteht sie ein. Diese Frauen erhofften sich von der Distanzierung von anderen Frauen Vorteile bei Männern: "Aber sie werden von den Männern nur benutzt, nicht geachtet". Insgesamt zieht Schwarzer eine klare Erfolgsbilanz der Frauenbewegung. In den vergangenen Jahrzehnten sei schon überwältigend viel erreicht worden. "Aber ein 4000 Jahre dauerndes Patriarchat kann man nicht in 30 Jahren abschaffen". Kampagne gegen das Abtreibungsverbot Alice Schwarzer gilt seit Anfang der 70-er Jahre als "Galionsfigur" der deutschen Frauenbewegung. Sie initiierte 1971 die Aktion "Ich habe abgetrieben", die zu einer Kampagne gegen das Abtreibungsverbot geführt hat. Ihr 1975 erschienenes Buch "Der kleine Unterschied und seine Folgen" war der erste feministische Bestseller in Deutschland. 1977 wurde sie mit der Gründung der feministischen Zeitschrift EMMA Verlegerin und Chefredakteurin. In ihrem jüngsten Buch "Der große Unterschied - Gegen die Spaltung von Menschen in Männer und Frauen" (Herbst 2000) beschreibt sie die heutige Männerwelt als "Drei-Drittel-Gesellschaft": Ein Drittel sympathisiere mit den Frauenforderungen, ein Drittel verhalte sich indifferent und ein Drittel bekämpfe sie mit allen Mitteln, bis hin zur Gewalt. (APA)