Die Botschaft des Spruchs der US-Richterin Shirley Kram ist klar: Die deutsche Industrie muss ihren zugesagten Anteil von umgerechnet 35 Milliarden Schilling in den Fonds zur Entschädigung von NS-Zwangsarbeitern einzahlen. Solange dies nicht geschieht, werden Sammelklagen von Holocaust-Opfern nicht abgewiesen. Dies ist auch ein Signal für Österreich, wo auf dem Konto des Versöhnungsfonds noch nicht die gesamten sechs Milliarden Schilling eingetroffen sind. Die deutsche Stiftungsinitiative hält an ihrem Standpunkt fest, erst nach Abweisung der Klage gebe es Rechtssicherheit. Diese sei die Voraussetzung für die Auszahlung der Gelder. Damit stellen sich die Unternehmensvertreter auf einen formalen Standpunkt, denn so steht es im deutschen Entschädigungsgesetz.

Auf der Strecke bleiben bei diesem juristischen Tauziehen die Opfer: Viele von ihnen werden nicht mehr erleben, dass sie mehr als ein halbes Jahrhundert nach ihren Frondiensten eine Entschädigung für erlittenes Leid und erzwungene Arbeitsleistung erhalten. Nach Schätzungen von deutschen Koalitionspolitikern sterben täglich 15 Anspruchsberechtigte.

Es drängt sich immer mehr der Eindruck auf, dass die Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft bewusst auf Zeit setzt. Vom zugesagten Wirtschaftsanteil fehlen noch immer 9,8 Milliarden Schilling. Forderungen, dass der Bund die fehlenden Mittel übernehmen soll, sind dreist, zumal die öffentliche Hand ohnehin real für zwei Drittel des Entschädigungsfonds aufkommt: Wie die Wirtschaft hat sich der Staat zur Zahlung von 35 Milliarden Schilling verpflichtet, außerdem können deutsche Firmen ihre Beiträge steuermindernd geltend machen. Bleibt die Stiftungsinitiative bei ihrer starren Haltung, zeigt sie, dass ihr der Schutz vor Klagen in den USA wichtiger ist als Gerechtigkeit für die NS-Opfer. Damit gefährdet sie die gesamte Entschädigungsregelung in Deutschland und auch Österreich.