Stuttgart - Die deutschen Grünen haben Claudia Roth am Freitagabend mit überwältigender Mehrheit zu ihrer neuen Vorsitzenden gewählt. Sie soll künftig mit Fritz Kuhn zusammen die Geschicke der Partei lenken. Roth kündigte in ihrer Wahlrede auf dem Parteitag in Stuttgart an, sie wolle alle Strömungen repräsentieren und eine ehrliche Politik machen. Kuhn bemühte sich unterdessen, einen Schlussstrich unter die Koalitionsdebatte zur Ökosteuer zu ziehen. Die 45-jährige Roth wurde mit 91,5 Prozent der Delegiertenstimmen gewählt. Sie wolle nicht als "Frontfrau irgendeiner Strömung" gelten, sagte die dem linken Flügel zugeordnete Bundestagstagsabgeordnete, die auch Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses ist. "Die Zeit ist reif für eine ökologische Politik" Sie wolle die Partei zu einem Pfadfinder machen, der über den Regierungsalltag hinaus denke und neue Ziele und Wege für eine künftige Politik ausweise, sagte Roth und fügte hinzu: "Die Zeit ist reif für eine ökologische Politik." Die BSE-Krise habe die Chance eröffnet, eine neue Landwirtschafts- und Verbraucherpolitik durchzusetzen. Für diese Politik soll die neue Verbraucherministerin Renate Künast stehen, die wegen ihres Wechsels in die Regierung ihr Amt als Co-Vorsitzende niederlegte. Trotz ihres Anspruches, die ganze Bandbreite grüner Politik zu repräsentieren, betonte Roth angesichts des bevorstehenden Castor-Transports die grünen Wurzeln in der Anti-Atom-Bewegung: "Ohne Wenn und Aber - die Grünen bleiben aktiver Teil der gesellschaftlichen Anti-Akw-Bewegung." Die Auseinandersetzung sei mit dem Konsensbeschluss zum Ausstieg aus der Atomenergie noch nicht zu Ende. Die Bundesgrünen hatten Anfang der Woche mühsam einen Kompromiss mit den niedersächsischen Grünen ausgehandelt, wonach die Partei zwar nicht zu Blockaden der Transporte aufruft, aber das Demonstrationsrecht einzelner Mitglieder nicht eingeschränkt sehen will. "Das Demonstrationsrecht ist uns beinahe heilig", unterstrich Roth. Kritik am Irak-Bombardement Auch gegen Außenminister Joschka Fischer erteilte die neue Vorsitzende einen Seitenhieb. "Amerikanisches Bombardement auf den Irak ist kein Mittel, einen Diktator Saddam Hussein zu überwinden", erklärte sie. Fischer hatte die Bombenangriffe bei seinem Besuch in Washington nicht kritisiert. Kuhn schlug in der Ökosteuerdebatte versöhnliche Töne an. "Ich gehe nicht davon aus, dass dies ein Koalitionsstreit wird", sagte der Parteivorsitzende. Er verteidigte die Ökosteuer als sinnvolles Lenkungsinstrument für umweltgerechtes Verhalten. Er verwahrte sich erneut dagegen, dass Bundeskanzler Gerhard Schröder den Grünen vorschreibe, welche Haltung sie zur Fortschreibung der Ökosteuer nach 2003 einnehmen. Andererseits betonte Kuhn: "Ich kann die SPD beruhigen. Wir verstehen die Koalition nicht als Steuererhöhungskoalition." Er rief in Erinnerung, dass die ökologische Modernisierung ein Markenzeichen der gesamten neuen Bundesregierung sei. Schröder lobte er mit den Worten: "Wir haben einen guten Kanzler". Schwarz-grünen Szenarien, die Schröder selbst ins Spiel gebracht hatte, erteilte Kuhn eine Absage. "Schwarz-grün halte ich inhaltlich und personell für eine Vorstellung ohne Realitätsgehalt", sagte er nicht zuletzt mit Blick auf die Diskussion um die 68er Generation. Er dankte der SPD für ihre Solidarität und Geschlossenheit, mit der sie sich hinter Fischer gestellt habe. (APA/AP)