Foto: St. Petersburg Online
Washington/Wien - Die Hispanics haben erstmals in der Geschichte der Vereinigten Staaten mit den Afro-Amerikanern zahlenmäßig gleichgezogen und sind damit ex aequo zur "zweiten größten Minderheit" des Landes avanciert. Nach noch inoffiziellen Erkenntnissen der Volkszählung aus dem Jahr 2000, die von der Washington Post vorab veröffentlicht wurden, beläuft sich die Zahl der Hispanics auf 35,3 Millionen, die der schwarzen Amerikaner auf 34,7. Im vergangenen Jahr ist Kalifornien, wo die Hispanics mit etwa sieben Millionen Menschen besonders stark vertreten sind, zum ersten US-Bundesstaat geworden, wo die Europäer nicht mehr die Mehrheit bilden. Der Volkszählung, die alle zehn Jahre stattfindet und diesmal unter Mitwirkung fast einer Million Mitarbeiter durchgeführt wurde, hat auch offen gelegt, dass die Hispanics-Bevölkerung in den USA erheblich schneller wächst als ursprünglich angenommen. Zuerst waren die Statistiker davon ausgegangen, dass sie von 22,4 Millionen im Jahr 1990 um etwa zehn Millionen anwachsen würde. Diese Prognose haben die Hispanics mit einem Plus von fast drei Millionen Menschen klar überflügelt. Sie sind damit auch die am schnellsten wachsende Bevölkerungsgruppe in den USA: Ihr Zuwachs zwischen 1990 und 2000 beträgt 60 Prozent, bei den Aro-Amerikanern - 30 Millionen im Jahr 1990, 34,7 ein Jahrzehnt später - waren es lediglich etwa 16 Prozent. Wie ernst dieser demographische "Shift" zu den Hispanics hin auch von den Politikern genommen wird, wurde im Wahlkampf des letzten Jahres offenkundig. Die Kandidaten der beiden großen Parteien, Al Gore und George W. Bush, überboten einander damals förmlich in Nachweisen ihrer spanischen Sprachkenntnisse; und der Bush-Clan zog mit George P. Bush, dem Neffen des Präsidenten, sogar ein hispanisches Familienmitglied aus dem Talon. Geographisch sind die Hispanics vor allem im Süden der Vereinigten Staaten (Kalifornien, Texas, Florida) und in New York verbreitet, doch neuerdings erobern Immigranten aus Lateinamerika auch den Mittleren Westen. Heterogener Block Vom katholisch-konservativen Hintergrund vieler Einwanderer her müsste das Gros der Hispanics eigentlich ein idealer Weidegrund für die Republikaner sein - doch so einfach liegen die Dinge nicht, und die Hispanics wählen keineswegs als geschlossener Block. In Florida unterstützten nach der Affäre um den kubanischen Flüchtlingsbuben Elián González viele Kubaner eher die Republikaner, während Einwanderer aus Honduras, Guatemala oder Kolumbien eher für die Demokraten stimmten. In Kalifornien hat es der frühere Gouverneur Pete Wilson geschafft, die Hispanics mit einer Volksabstimmung, die auf die Verabschiedung eines einwanderungsfeindlichen Gesetzes hin abzielte, so zu vergraulen, dass sich die Republikaner seither schwer tun, noch einen Fuß auf den Boden zu bringen. Auch landesweit tendieren die Hispanics, von denen viele in Niedriglohnberufen tätig sind, eher zu den Demokraten. Nach dem umstrittenen Urteil des Supreme Court, der im vergangenen Jahr George W. Bush den Weg zur Präsidentschaft ebnete, meinten 48 Prozent der Amerikaner, ihr Glaube an die demokratischen Institutionen des Landes sei ins Wanken geraten. Bei den Hispanics waren es 67 Prozent, und bei den Afro-Amerikanern sogar 84. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 9. 3. 2001)