Lhasa/Wien - "Ich hatte das Gefühl, dass ich von innen brenne. Dann wurde ich ohnmächtig." Als er wieder erwachte, lag er unbekleidet in einem Bett des Polizeispitals. Guscho Konchok Woser blutete aus Mund und Nase. Der 31- jährige tibetische Mönch war sicher, er werde die Folter nicht überleben und verlangte deshalb nach seiner Familie. Die Polizisten zwangen ihn zuzugeben, dass er ein Konterrevolutionär sei. Weil Woser in einem derartig schlechten Zustand war, mußte er vom Polizeispital ins normale Krankenhaus der tibetischen Hauptstadt Lhasa verlegt werden. Drei Wochen war er in Einzelhaft gewesen, mit Elektroschocks in die Niere und mit einem Stock war er derartig malträtiert worden, dass er das Bewußtsein verloren hatte. Mit dem Stock hatten sie ihm den Oberschenkel zerschlagen. Seither ist er beim Gehen behindert. Sie versuchten, ihn nicht nur physisch, sondern auch psychisch zu brechen. Folge: Generelles Reiseverbot Wosers Vergehen: Die chinesische Polizei hatte bei ihm im Kloster Sera (700 Mönche im Jahr 1998, davon 100 im Gefängnis) in der Nähe Lhasas Kassetten mit theologischen Vorträgen des Dalai Lama gefunden. Doch er war schon vorher unangenehm aufgefallen. 1997 war er unter dem Vorwand, nach Nepal zu reisen, nach Dharamsala gefahren, um Reden des Dalai Lama zu hören (ein Ausreisevisum kostet 200 US-Dollar plus Fleisch und Butter als Bestechung für die Beamten). Als er nach drei Monaten zurückkehrte, wiesen ihm die Behörden ihm anhand von Fotos, die chinesische Spitzel aufgenommen hatten, nach, dass er bei seiner "Heiligkeit" gewesen war. Die Folge war ein generelles Reiseverbot. "Ich bin wie in Trance gegangen" Im August 1998 gelang dem Mönch die Flucht aus dem Spital. Unter der Führung eines Helfers marschierten sie 25 Tage jeweils 11 Stunden lang bis an die nepalesische Grenze. Sie nahmen nur Wasser und geröstetes Gerstenmehl zu sich. Trotz seines katastrophalen körperlichen Zustandes und der widrigen Umstände - auf dem 5500 Meter hohen Shakhompula-Paß lag bereits Schnee - spürte Woser die Schmerzen nicht. "Ich bin wie in Trance gegangen." Woser war in Sicherheit. Doch die chinesische Polizei rächte sich gnadenlos an der Familie. Eine Schwester und ein Bruder wurden aus ihren Klöstern geworfen, zwei weitere Schwestern wurden zwangssterilisiert. Sein Freund wurde gefoltert, seither ist er gelähmt. Wosers Eltern dürfen nicht mehr nach Lhasa reisen. Monatlich wird ihr Hab und Gut nach Nachrichten vom Sohn kontrolliert. Guscho Konchock Woser spricht am Samstag, um 15.30 Uhr auf dem Wiener Ballhausplatz bei der Kundgebung, die die Exil-Tibeter aus Anlaß des 42. Jahrestages der Besetzung Tibets durch China abhalten. Der Protestmarsch startet um 13.30 Uhr auf dem Schwarzenbergplatz. (Von Josef Ertl, DER STANDARD Print-Ausgabe vom 10./11.3.2001)