Wien - Die Telefondrähte glühten, die Nachrichtenlage blieb dünn: Rund um die Aufsichtsratssitzung der Jet2Web Telekom Austria (TA) herrschte bis Freitagabend Hochspannung. Fix war bereits vorher, dass der sich abzeichnende Vorstandswechsel erst nach der Bilanzpräsentation Anfang April stattfindet. Generaldirektor Heinz Sundt werde so lang bleiben, wie der Eigentümer (die Verstaatlichtenholding ÖIAG, Anm.) dies wünsche, sagen Vertraute des Noch-Generals. Cicchetti nicht in Wien Dass Oscar Cicchetti, der Auslandchef von Miteigentümer Telecom Italia (29,8 Prozent) gar nicht erst nach Wien gekommen ist, wird von Insidern als Indiz dafür gewertet, dass auch der im Raum schwebende Verkauf eines weiteren Aktienpakets an die Italiener noch nicht „gelaufen“ ist. Wie berichtet, bemüht sich die ÖIAG seit Wochen, beim Miteigentümer Telecom Italia (29,8 Prozent) die Ablöse von Sundt durchzuboxen. Brasic als Favorit Als ÖIAG-Favorit für den Chefsessel gilt der von den Italienern nominierte Marketingvorstand Heinz Brasic. Im Gegenzug soll der ÖIAG das Recht eingeräumt werden, einen Finanzvorstand zu nominieren - erstmals seit dem Einstieg der Italiener 1998. Mit seinem Wunschkandidaten, dem Finanzexperten Jens Kaden, dürfte ÖIAG- und TA-Aufsichtsratschef Johannes Ditz in Rom allerdings abgeblitzt sein. Angesichts dieser Pläne, dürfte mit Sundt auch Finanzvorstand Stefano Colombo, ehemals Brillenmanager bei Safilo/Carrera, das Handtuch werfen. Aber: Heimische Industriekreise opponieren massiv gegen den ehemaligen Geschäftsführer von Nokia Austria. Wichtigster Brocken, um den die Eigentümer feilschten: eine ausgeglichene Bilanz. Unter dem Strich stehe ein dreistelliger Millionenbetrag im Plus. Der unkonsolidierte Gruppenumsatz beläuft sich vertraulichen Informationen zufolge auf knapp 60 Mrd. S (4,36 Mrd. Euro), bereinigt um interne Lieferungen zwischen den Konzerntöchtern müssten konsolidiert fast 50 Mrd. S übrig bleiben. "Allfälliges Überraschungsei" Unter „Allfälliges“ war ein „Überraschungsei“ versteckt, über dem Finanzchef Colombo seit Monaten gebrütet hat: Die TA wird bei der Buchhan delsgruppe Libro aussteigen. Das unglückliche Engagement (25 Prozent plus eine Aktie), für das die TA 1,35 Mrd. S bezahlt hat, werde gegen eine Abschlagszahlung beendet, heißt es. (DER STANDARD, Printausgabe 10.3.2001)