Nordirlands Politiker haben wieder einmal die Chance ausgeschlagen, ihre Meinungsverschiedenheiten beizulegen. Der Friedensprozess und die fundamentale Reform aller Organe des Staates bleiben damit fragil; jene Bürger, die auf Stabilität und Dauer hofften, müssen sich weiterhin gedulden. Dabei wissen alle, wie der Kompromiss, der irgendwann besiegelt werden muss, aussieht: Betonpfropfen für die Waffenbunker der IRA, Zerstörung der britischen Beobachtungsposten entlang der inneririschen Grenze und Unterstützung für die neue, reformierte Polizei Nordirlands durch alle Vertreter der katholischen Minderheit.

Aber obwohl die Spitzenpolitiker aus London, Washington, Dublin und Belfast seit Monaten mit ungeheurem Zeitaufwand verhandelten, war der Zeitpunkt für mutige Zugeständnisse offenbar nicht richtig. Britische Unterhauswahlen sind in einem teilautonomen Nordirland gar nicht so bedeutungsvoll; trotzdem ersticken sie jegliche Konzilianz. Denn Wahlen in Nordirland sind getrennte Wettbewerbe innerhalb der beiden konfessionellen Lager, nicht zwischen ihnen. So müssen die Vernünftigen stets über ihre Schulter gucken, ob die Schwarz-Weiß-Maler ihnen Verrat und Ausverkauf vorwerfen könnten. Da tut man lieber nichts Überstürztes.

Diese Trägheit indessen ist riskant, denn die Vormachtstellung von Chefminister David Trimble innerhalb des protestantischen Lagers ist stark gefährdet. Wenn seine Partei die Unterhauswahl deutlich verliert, gibt es nach der nun beschlossenen Zwangspause keinen friedenswilligen Sprecher der zersplitterten Bevölkerungsmehrheit mehr. Die irische Regierung und die gemäßigten Katholiken Nordirlands müssten sich dann eine monumentale Fehlkalkulation vorwerfen lassen, weil sie aus kleinlichen Motiven darauf verzichteten, sich von Sinn Féin und der IRA abzusetzen, um die neue Polizei zu unterstützen. (DER STANDARD Print-Ausgabe vom 10./11.3.2001)