Lenz: "Dürfen wir uns nicht mit dröhnenden Bomberstiefeln auf der Straße abfinden" - Schmidt: 68er waren "Massenpsychose"
Hamburg - Der deutsche Schriftsteller Siegfried Lenz hat am Samstag in Hamburg den Weilheimer Literaturpreis entgegen genommen. Über die Vergabe der mit 12.000 Mark (6.136 Euro/84.426 S) dotierten Literaturauszeichnung hatte eine Schüler-Jury des Gymnasiums aus dem bayerischen Weilheim entschieden. Der 74-jährige Schriftsteller bedankte sich bei einer Feier im Hoffmann und Campe Verlag, zu der auch die jungen Juroren gekommen waren, mit einer "Rede an die Jugend".
Mitleid empfinden
In seiner Rede appellierte Lenz an die jungen Leute, einen Blick für das Leid der anderen zu haben, Mitleid zu empfinden. Die Vorstellung einer globalen Weltverbesserung sollte man pragmatisch im Kleinen im eigenen regionalen Umfeld zunächst versuchen. "So dürfen wir uns nicht mit dröhnenden Bomberstiefeln auf der Straße abfinden", sagte Lenz unter anderem zum Einsatz gegen rechte Gewalt.
In der Laudatio würdigte der deutsche Alt-Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) die besonderen Verdienste von Lenz für die deutsche Identität. Er präsentiere ein Mosaik der Nation in unserer Epoche. Mit seinem nach dem Zweiten Weltkrieg begonnen schriftstellerischen Werk habe Lenz beständig zum geistigen Neubau in Deutschland beigetragen. "Er hat vielen Menschen geholfen, sich in Deutschland, in der jüngsten Geschichte und in der Gegenwart zurecht zu finden", sagte Schmidt. In seiner Rede ging Schmidt auch auf die derzeitige Diskussion um die Protestbewegung von 1968 ein und bezeichnete sie als "weit ausgreifende jugendliche Massenpsychose". Indirekt warf er der damaligen Jugend vor, politisch teilweise verblendet gewesen zu sein und beispielsweise Verbrechen im kommunistischen China nicht wahrgenommen zu haben. Wer von den 68ern also auf die Generation des Wiederaufbaus überheblich herabschaue, sollte "sich selbst Rechenschaft über seine eigenen Verirrungen ablegen."
Lenz, der am 17. März seinen 75. Geburtstag feiert, gehört mit Romanen wie "Deutschstunde" und "Heimatmuseum" zu den bedeutendsten deutschen Nachkriegsautoren. Seine Werke wurden nach Angaben seines Verlages Hoffmann und Campe in 30 Sprachen übersetzt, die Weltauflage dürfte bei etwa 25 Millionen liegen.
(APA)