Rau besorgt über Entwicklung in Entschädigungsfrage
Deutscher Bundespräsident würdigt "68er" als Anstoß zur Öffnung der Gesellschaft
Hamburg/Berlin - Der deutsche Bundespräsident Johannes Rau
beobachtet die Entwicklung in der Frage der Entschädigung von NS-
Zwangsarbeiter "mit großer Sorge". Eine Sprecherin des Präsidialamts
sagte der "Welt am Sonntag", die baldige Entschädigung der
Betroffenen sei Rau stets "ein ganz besonders wichtiges Anliegen"
gewesen.
Das Präsidialamt verwies auf einen Brief Raus an mittelständische
deutsche Unternehmen, in dem es heiße, über die Entschädigung solle
"nicht länger gefeilscht werden". Es gehe "um einen kleinen Beitrag
zur Versöhnung mit Menschen, die in ganz besonderer Weise Opfer der
nationalsozialistischen Gewaltherrschaft geworden sind, es geht aber
auch um das Bild Deutschlands in der Welt und um den guten Namen der
deutschen Unternehmen im Ausland".
Der stellvertretende Unionsfraktionschef Wolfgang Bosbach richtete
einen dringenden Appell an den Bundespräsidenten, in den Streit um
die Entschädigung von NS-Zwangsarbeitern einzugreifen. "Wir sind
jetzt an dem Punkt angekommen, wo das ganze zur Chefsache wird. Es
wäre sicher hilfreich, wenn der Bundespräsident sich noch einmal mit
der ganzen Autorität seines Amtes an die Firmen wenden würde, die
bisher abseits stehen und hoffen, dass andere für sie zahlen", sagte
Bosbach der "Welt am Sonntag". Nach Informationen des Blattes bemüht
sich Rau in internen Kontakten mit Bundesregierung und Wirtschaft um
eine Auslotung der Möglichkeiten für eine Lösung der
Entschädigungsfrage. Offiziell wollte der Bundespräsident dazu nicht
Stellung nehmen.
68er: "Reaktion auf die falsche Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus"
Johannes Rau hat den Beitrag der "68er"-Studentenbewegung für eine offene Gesellschaft
in Deutschland gewürdigt. Die Protestbewegung sei auch eine Reaktion auf die falsche Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus
gewesen, sagte Rau bei einer Veranstaltung zu Ehren der Schriftstellerin Inge Deutschkron am Sonntag in Berlin.
"Wir verdanken dieser Protestbewegung einen entscheidenden Anstoß dafür, dass wir uns in der Folge als Gesellschaft offener und ehrlicher
mit unserer Vergangenheit auseinander gesetzt haben, als das bis dahin der Fall war", sagte Rau. Zu den "68ern" hätten junge Frauen und
Männer mit unterschiedlichen Zielen gehört. Manche seien dabei auf ihre Weise schuldig geworden und in Verstrickungen geraten. (APA/dpa)