Make hair, not war! Eine schöne, aber zu optimistische Utopie. Keine Diktatoren sind bekannt, die lieber Friseure als Globus-Quäler wurden. Nicht einmal die rastlosen Balkan-Herren nutzten die Tatsache, dass das lange Haar in den letzten Jahren in Ungnade fiel und so zu fallen begann - sie hätten ja in Figaro-und verwandten Berufen Dampf ablassen können.

Leider: Es half auch nichts, dass Pionier Elton John einen Haartransplantationstrend auslöste und die Toupetindustrie kontinuierlich davon profitiert, dass die "Generation Pepi" nie ausstirbt. Sonst wäre die Blumenkindervision vom Frieden gar im Friseursalon wahr geworden. Doch alles blieb, sieht man von Waluliso ab, Utopie - eine nachträglich auch noch desavouierte: Bill Clinton hat ja nicht einmal inhaliert!

Auch dass er Sex hatte, wollte er nicht zugeben, und Friseur ist er auch nicht geworden - diese Blumenkinder! Utopien, so scheint es, leben am besten in der Kunst. Im Musical etwa. Wenn sich die Realität nicht daran hält? Umso schlimmer für die Realität, umso besser für das Hair-Musical, dem legitimen Humanismus-Nachfolger der Alle-Menschen-werden-Brüder-Symphonie von Beethoven, dem ersten Hippie.

Hair bekommt nur ein Problem, wenn sich Regisseure und Musikproduzenten als Friseure betätigen und die Schere recht unentschlossen ansetzen, um es allen Retro-und Zeitgeistern Recht zu machen. Im Raimundtheater ahnt man schon Fürchterliches, als Hendrix' punktgenaue Verstümmelung der Uncle-Sam-Nationalhymne zu einem glatten Kaufhaus-Sound-Duett zweier Stromklampfen schrumpft.

Hier wird der 60er-Jahre-Sound nicht in die Jetztzeit transferiert. Es versucht nur eine Art Fendrich-Studio-Band, alles an Musikwildwuchs abzurasieren; das Bisschen Elektronik-Clubbing-HipHop-Gedudel samt Lasershow ist dann jenes einen Abend lang auf eine Musical-Glatze aufgetragene Musikgel. Auch Kim Duddys Regie, die uns filmisch von den kriegerischen Frechheiten der letzten Jahrzehnte (samt deren Protestreflexen) erzählt, arbeitet mehr mit Schere, Kamm und Schminke als mit den Mitteln einer zupackenden szenischen Gestaltung.

Duddy hat sich bemüht, allerlei Typen der Generation Love-Parade auf die Bühne zu zaubern, was in Ordnung geht. In einer Art Turnsaal, dessen terrassenförmiger hinterer Teil an die Fernsehshows der 60er-Jahre gemahnt, spielt sich lange Zeit jedoch nur eine Kraut-und-Rüben-Revue ab, eine mäßig interessant choreographierte atmosphärelose Turnsaal-Party.

Dieses Stück (ohne echte Geschichte) funktioniert jedoch nur als entrückter Traum, der einlullt. Die Albtraumszene von Claude (nett Kyrre Kvam) zeigt, was man mit Lichtmitteln noch an Effekt hätte erzielen können. Wobei die "Kannibalensequenz" und herabsausenden Gummipuppen-Zombies peinlich plakativ wirkten.

Das gute Ensemble konnte nichts dafür. Besonders Drew Sarich (als Berger), der eine dynamische Mischung aus Indianer und Hardrock-Gitarrist mimen musste . . . (Ljubisa Tosic, DER STANDARD Printausgabe vom 20.3.2001)