Technik
Neues Reinheitsgebot: Wasserstoff und sonst nix
BMW setzt Clean-Energy-Tour mit Brüssel-Stopp fort - EU-Entscheidungsträger "sollen Weichen stellen"
Da fährt also ein Auto, ganz real, nicht in ferner Zukunft, ganz normal in der Gegend herum, und beim Auspuff kommt nichts
als Wasser raus. Ein paar Stickoxide vielleicht noch, sonst nichts. Umweltfreundlicher geht's kaum, oder? Eben. Meint auch
BMW. Und macht auf der Promotion-Tour mit der 15 Fahrzeuge umfassenden "Clean Energy"-Flotte in Brüssel Halt, um die
EU-Entscheidungsträger auf die saubere Energie der Zukunft einzuschwören.
Dass Wasserstoff Zukunft hat, darüber herrscht Einigkeit, bei seiner automobilen Nutzung gibt es zwei Welten. Die einen
wollen das tiefgekühlte Flüssiggas direkt im Brennraum konventioneller Verbrennungsmotoren verfeuern (BMW), die anderen
setzen auf die Nutzung in der Brennstoffzelle (das ist praktisch der Rest der Autowelt).
Diese Schere haben auch die pragmatischen Bayern, die schon öfter für wasserinduzierte Reinheitsgebote zuständig waren,
wahrgenommen. Weshalb BMW-Chef Joachim Milberg bei der Präsentation in Brüssel betonte, es gehe momentan gar nicht
um einen Wettkampf der Systeme, sondern darum, die Weichen für die Wasserstoffwirtschaft der Zukunft zu stellen. Weil die
Weichensteller Europas aber nun mal in Brüssel sitzen, war die Station nur logisch.
Entsprechend eindringlich die Appelle von Milberg, der die Chancen Europas, auf diesem Energiesektor die
Technologieführerschaft zu übernehmen, hervorhob. Es gehe um stabile, langfristig verlässliche Rahmenbedingungen, um
diesen Kraftstoff auf dem Markt zu etablieren.
Loyola de Palacio, als EU-Kommissarin für Energie und Verkehr zuständig, gab's markig (und unverbindlich) zurück: "Dank
Wasserstoff könnte der Transportsektor einen neuen Markt für die erneuerbaren Energien entstehen lassen." Und der
deutsche Ex- umweltminister Klaus Töpfer, Direktor des UN-Umweltprogramms UNEP, tönte in maximal holperndem "take
care of your ,ti'-,eitsch'"-Englisch, angesichts gravierender Klimaveränderungen müssten "in allen Hauptstädten die
Alarmglocken klingeln." Die Wassserstoffwirtschaft sei ein Ausweg.
Wasserstoff, regenerativ erzeugt: Darauf legt man großen Wert. Viele technische Probleme beim Wasserstoffantrieb sind
gelöst, vieles ist noch offen, vor allem die Frage der Infrastruktur (Tankstellen) und Erzeugung. Denn es wird noch Jahrzehnte
dauern, bis dieses Gas umweltfreundlich solarenergetisch oder durch Windenergie gewonnen werden kann. Bis dahin ist man
auf fossile Energieträger anwiesen - und auf Atomkraft. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 9. 3. 2001)