ORF
DER WEISENRAT
Das Grausen vor Reality
Der längstdienende ORF-Generalintendant Gerd Bacher wird Mitglied jenes "Weisenrates", der den Programmauftrag des ORF und seine Werberichtlinien
neu und präziser definieren soll. Mit "Grausen" kommentierte der "Tiger" zuletzt im STANDARD-Interview Reality-TV wie auch "Taxi Orange". Seine
Anregungen für einen "genaueren, klaren Programmauftrag": "Zum Beispiel, dass anspruchsvolle Programme täglich im Hauptabend laufen müssen." Das
Programmschema unter Gerhard Weis' Vorgänger als ORF-Generalintendant, Gerhard Zeiler, bezeichnete Bacher als "halb kommerzielles
Programmschema", das nicht genehmigt worden wäre, hätte es einen weniger "schwammigen" Programmauftrag gegeben. Wesentliche Teile von Zeilers
Programm - von "Vera" bis "Willkommen Österreich" - sind auch heute noch "on air". Ein Vater des Volksbegehrens
Fritz Csoklich (72) war langjähriger Chefredakteur der Grazer Kleinen Zeitung. Wie Hugo Portisch (damals Chefredakteur des Kurier) war er eine der
Galionsfiguren des Rundfunkvolksbegehrens der österreichischen Zeitungen, das per Rundfunkgesetz 1968 zum Abschied vom Proporz-ORF führte. 1974
wurde das Gesetz wieder geändert.
Freund der Fachmagazine
Alfred Payrleitner (66), heute Zeitungskolumnist, war vor seinem Pensionsantritt Hauptabteilungsleiter Wissenschaft des ORF. Im Abschiedsinterview mit
dem STANDARD vermisste er Fachmagazine im Programm und qualifizierte Aufsichtsorgane auf dem Küniglberg, geißelte zudem das "Eintopfprinzip" bei
Sendungen unter Zeiler.
Zentral- und Generalsekretär
Heinrich Keller (60) ist der einzige Sozialdemokrat im Weisenrat der Regierung zur Neudefinition des Programmauftrages. Der heute in Wien als
Rechtsanwalt Tätige war Anfang der Siebziger Sekretär von SP-Justizminister Christian Broda, in der zweiten Hälfte der Achtzigerjahre Zentralsekretär der
SPÖ. Aber auch von 1977 bis 1979 Generalsekretär des ORF.
(DER STANDARD, Print-Ausgabe, 14. 3. 2001)