Namenswitze sind in der Literatur gang und gäbe. Es ist jedoch etwas anderes, sie auf Kosten lebendiger Menschen zu treiben. Bei Sigmund Freud etwa heißt es, dass "Witze, die mit Eigennamen 'spielen', häufig von beleidigender, verletzender Tendenz" seien. Und schon der humorlose Goethe hatte sich vehement gegen solche Späße zur Wehr gesetzt. Einmal hatte der junge Johann Gottfried Herder einen übermütigen Spottvers an ihn gerichtet, in dem spekuliert wurde, ob der Name Goethe von "Gott", den "Goten" oder vom "Kot" komme. Noch Jahrzehnte später beklagte sich Goethe über diesen Scherz, denn, so sagte er in Dichtung und Wahrheit, "der Eigenname eines Menschen ist nicht etwa wie ein Mantel, der bloß um ihn her hängt und an dem man allenfalls noch zupfen und zerren kann, sondern ein vollkommen passendes Kleid, ja wie die Haut selbst ihm über und über angewachsen, an der man nicht schaben und schinden darf, ohne ihn selbst zu verletzen". Goethe zeigte sich hier nicht ganz frei von der alten Namensmagie, die davon ausging, der Name bestimme seinen Träger und sei ihm wesensmäßig verbunden. Die Gegenposition bestand in einer Art Namensrationalismus, die eine tiefere Beziehung zwischen der "zufälligen" Benennung einer Person und ihrem Charakter leugnete. Mag man auch nicht mehr annehmen, dass der Name den "unvergänglichen Inhalt" eines Ich bezeichnet, wie der russische Theologe Pawel Florenski meinte, so ist doch eines jedenfalls richtig: Ein Name ist nicht beliebig. Die Integrität des eigenen Namens betrifft die Person und ist ebenso zu schützen wie die des fremden: "Man braucht, um bestehen zu können, einen Vorrat von unbezweifelten Namen" (Elias Canetti). Darüber hinaus bezieht sich der Name auf eine Reihe von "Vorgängern" - biblische, historische, literarische und so fort -, zu denen sich der jeweils neue Träger und seine Umwelt irgendwie verhalten. Mit dem Namen ist seine Herkunft, seine Geschichte und seine kulturelle Tradition aufgerufen. Der Name "Ariel", nur beispielsweise, findet sich in der Bibel und bedeutet vermutlich "Löwe Gottes"; in späteren jüdischen Schriften wird ein Engel so genannt, im Mittelalter und in der frühen Neuzeit ein Elementargeist. Ein solcher Luftgeist Ariel spielt in Shakespeares Komödie Der Sturm eine drollige und zugleich edle Rolle; er, "der Luft nur ist", hat mehr "Gefühl und Regung" als die Menschen. In Goethes Faust wird Ariel dann wieder auftauchen, als tröstende und freundliche Gestalt: "Kleine Geistergröße / Eilet, wo sie helfen kann." Es handelt sich um einen charmanten und musischen Geist: "Ariel bewegt den Sang / In himmlisch reinen Tönen; / Viele Fratzen lockt sein Klang, / Doch lockt er auch die Schönen." In der jüdischen Tradition liegt in "Ariel" der Namens-wunsch der Stärke, in der Dichtung signalisiert er Leichtigkeit und Zauber. Nichts davon fällt einem ein, der menschliches Verhalten offenbar aufs Schmutzen und Putzen reduziert sieht. Ihm kommt bei "Ariel" nur mehr ein Waschmittel und reflexhaft ein Dreck in den Sinn. Diese aussichtslose Verdunkelung wird sich durch keinen optischen Aufheller mehr beseitigen lassen. Konstanze Fliedl ist Professorin für Neuere Deutsche Literatur an der Uni Wien. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 14.03.2001)