Es klingt so gut, dass die Klubchefs der Regierungsparteien sich einfach nicht mehr bis nach dem Ministerrat zurückhalten konnten: "Politiker raus aus dem ORF!" Klingt fast so gut wie "Kindergeld!" oder "Freibier für alle!" Einziger Haken: Viel sagt derlei noch nicht aus. Natürlich ist es zumindest optisch ein gediegener Fortschritt, wenn die Klubobleute von ÖVP und FPÖ nicht mehr zugleich und höchstpersönlich Klubobleute im Kuratorium spielen können. So direkt funktioniert das Prinzip auf dem Küniglberg freilich ohnehin erst seit dem Regierungswechsel im Februar 2000. Auch wenn die SPÖ lange schon einen stellvertretenden Klubobmann oder so manchen Zentralsekretär oder Bundesgeschäftsführer entsandt hat. Erst seit dem Vorjahr sitzt mit Josef Pühringer auch noch ein leibhaftiger Landeshauptmann in dem Gremium. Die Klubchefs persönlich waren eine noch verschärfte Dimension. Zumal es im ORF-Kuratorium offiziell keine Fraktionen geben darf. Mit Augenzwinkern wurde das Problem lange vor Schwarz-Blau gelöst: "Freundeskreise" nennen sie sich eben auf dem Küniglberg, treffen sich zu fraktionellen Vorbesprechungen und stimmen in der Sitzung selbst gern streng nach Couleurs. Daran muss allerdings eine Politikerklausel nicht unbedingt etwas ändern: Zu Recht verweist ORF-Generalintendant Gerhard Weis in diesen Tagen gerne auf das Abstimmungsverhalten jener neun ORF-Kuratoren, die von der Regierung auf den Küniglberg geschickt wurden. Die Fälle, in denen diese Damen und Herren nicht nach Parteilinie abstimmten, haben ausgeprägten Seltenheitswert. Schließlich nehmen sie auch gerne an den Fraktions-, pardon: Freundeskreisbesprechungen vor den Plenarsitzungen des Kuratoriums teil. Für diese neun Kuratoren der Regierung aber gilt längst eine Unvereinbarkeitsklausel mit politischen Funktionen in Bund, Ländern, anderen Gebietskörperschaften oder Parteien. Eine, wie sie die Regierung laut Punktation nun allen Kuratoren verordnen will. Der Kanzler hat bereits erklärt, dass man bei der Auswahl dieser Kuratoren schon versucht habe, die künftig für alle ORF-Aufsichtsräte gültigen Auswahlprinzipien von Qualität und Unabhängigkeit anzuwenden. Für die ORF-Journalisten hat die Klausel auf den ersten Blick durchaus Gutes: Nicht länger haben sie möglicherweise einen ihrer Aufsichtsräte persönlich am Rohr, wenn sie der Pressesekretär von Minister X anruft, um nachdrücklich auf dessen doch gewiss "ZiB 1"-würdigen Worte hinzuweisen. Kann der Pressesekretär "seine" Kuratoren aber "fernsteuern", wie dies die SPÖ befürchtet, ist der Benefit der Politikerklausel ein enden wollender. Zudem bringt das neue ORF-Gesetz auch eine neue Möglichkeit des politischen Drucks ins Spiel: Das Weisungsrecht des Generalintendanten für Programmfragen ist zwar ökonomisch so logisch wie das Recht des Vorstands einer Schuhfabrik, bei der nächsten Frühjahrskollektion ein Wörtchen mitzureden. Ist der General nicht stark genug, politischen Druck abzufangen, weil er beispielsweise noch eine weitere Funktionsperiode im Amt bleiben will, beschert das Weisungsrecht die Möglichkeit, die Umsetzung von Wünschen der Politik noch direkter Programm werden zu lassen. Auch wenn der General nun doch nicht künftig mit einfacher Mehrheit von seinem Aufsichtsgremium abberufen werden kann. Schon ganz ohne Weisungsrecht ist in den vergangenen Monaten gut zu verfolgen, wie Sendungschefs mehr oder minder freiwillig neuen farblichen Anforderungen an den ORF weichen müssen. Völlig falsch ist der Ansatz nicht, eine Politikerklausel für ORF-Gremien einzuführen. Alleine hilft er aber noch lange nicht, den ORF unabhängig zu machen: Dazu braucht es Persönlichkeiten in seinen Gremien, Courage in der Führung und unter den Journalisten. Sonst ist die Klausel nicht mehr als - ziemlich perfekte - Propaganda. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 14. 3. 2001)