Wien - "Die Chancen für eine rot-grüne Koalition in Wien stehen Fifty-Fifty." - Davon zeigte sich der Spitzenkandidat der Grünen für die Wiener Gemeinderatswahl am 25. März, Christoph Chorherr, überzeugt. Er nannte einen "deutlichen Zuwachs an Stimmen" als Basis für eine Zusammenarbeit mit den Sozialdemokraten. Die "möglicherweise wahrscheinlichere Variante" sei jedoch, dass die SPÖ den "gemütlichen und billigen" Weg einer erneuten Zusammenarbeit mit der ÖVP wählen wird, mutmaßte Chorherr. Unterschiede zu den Sozialdemokraten gebe es natürlich, etwa bei der Finanzierungsfrage im Bildungsbereich, "wo wir sagen, dass uns Bildung wichtiger ist als die Förderung von Garagen, um es zugespitzt auszudrücken". Ein zweites Thema sei der Straßenbau. Die Lobauautobahn und die Nordostumfahrung würden von den Grünen auch aus wirtschaftlichen Gründen abgelehnt. "Hürden fallen mir noch 96 ein", versicherte Chorherr. Dass es absolut unüberwindliche Hindernisse bei den Gesprächen mit der SPÖ geben werde, glaube er aber nicht. Er sei sich sicher, vor den "spannendsten Wochen" seines politischen Lebens zu stehen. Und er machte keinen Hehl daraus, dass er mit Rot-Grün in Wien durchaus einverstanden wäre: "Na klar wünsche ich mir, dass grüne Ideen in einer Regierung umgesetzt werden können." Dass dies möglich ist, sei aber auch gleichzeitig die Voraussetzung für einen Regierungseintritt, betonte Chorherr. Er wolle in Wien etwas verändern und zeigen, dass grüne Visionen "realitätstüchtig" sind, so Chorherr. Um aber "ernsthafte Verhandlungen" führen zu können, sei am 25. März ein zweistelliges Ergebnis notwendig. Ein Stimmenanteil unter zehn Prozent würde - selbst bei einem Zuwachs - keine "überjauchzende Freude" hervorrufen, meinte der Grüne Spitzenkandidat. Zusatz: "Aber ab zweistellig ist es ein großer Erfolg, keine Frage." Im Wahlkampf stößt laut seinen Erfahrungen besonders ein Thema auf höchstes Interesse: Die Grünen selbst, "vor allem als der Gegenpol zur FPÖ". Außerdem werde er auf das Engagement seiner Partei angesprochen, wobei er erneut unter anderem die Bildungspolitik nannte. Chorherr stellte fest: "Wir führen einen Inhaltswahlkampf. Bei den Leuten kommt das einfach sehr gut an, wenn man nicht mit dem Schmutzkübel durch die Stadt marschiert, sondern sagt, was sich ändern soll." Die Kampagnen der politischen Konkurrenten ÖVP und FPÖ seien dabei durchaus hilfreich. Da von diesen "rot-grün" plakatiert werde, "interessieren sich die Leute brennend dafür, was wir anbieten. Unser Wahlprogramm wird zu Hauf bestellt." Und viele würden sich erkundigen: "Was wollt ihr konkret, in der Verkehrspolitik, in der Umweltpolitik, in der Gesundheitspolitik, in der Wirtschaftspolitik." Chorherr: "Diese Antworten versuchen wir zu geben." Dank für Wahlkampf ohne "Gehässigkeiten" Christoph Chorherr bezeichnete es als Erfolg, dass die "Gehässigkeit des letzten Wahlkampfes" (Nationalratswahl 1999) diesmal nicht zu spüren sei. "Das ist ein großer Fortschritt, wofür ich allen Wienerinnen und Wienern, unabhängig davon, ob sie uns wählen oder nicht, jetzt schon großen Dank aussprechen möchte", sagte der Spitzendkandidat der Wiener Grünen für die Gemeinderatswahl am 25. März. Den Eindruck, dass durch die viel diskutierte Koalitionsfrage Sachthemen in den Hintergrund gedrängt werden, habe er nicht: "Wir haben etwa das Ernährungsthema gerade in diesem Wahlkampf ganz zentral dargestellt. Die Broschüre dazu wird uns aus der Hand gerissen. Und wir haben die politische Reform anzubieten, die gesamte Beschaffung in Wien auf ökologische Beschaffung umzustellen." Chorherr sprach sich weiters dafür aus, ein Antidiskriminierungsgesetz auch auf Landesebene einzuführen. "Dann gäbe es vielleicht eine Grenze, dass eine gewisse Form des Wahlkampfes, wie er in der Vergangenheit der Fall war, nicht mehr möglich ist." In Sachen Integration und Zuwanderung müsse man "bescheidene" Verbesserungen anerkennen, etwa die Öffnung von 600 der 20.000 Gemeinewohnungen für Nicht-Österreicher. Auch die "zarten Signale" der SPÖ in Sachen Ausländer-Wahlrecht wurden von Chorherr als erfreulich erachtet. Natürlich seien auch "positive Auswirkungen" des Sparpakets der Bundesregierung zu verzeichnen. "Das klingt zwar zynisch, aber die Bundespolitik wirkt sehr stark in Wien hinein. Einfach deshalb, weil die Bundespolitik Wien massiv beeinträchtigt." Christoph Chorherr verwies wieder auf Bildungsfragen: "Wenn reihenweise im Pflichtschulbereich, bei der Nachmittagsbetreuung, der Integrationsklassen und der Behindertenunterstützung deutlich gespart wird, dann regen sich die Wiener zu Recht auf. Diese Kürzungen kommen für uns nicht in Frage." Eine Stimme für die Grünen sei somit auch eine Stimme für ein "Gegenmodell" zu Schwarz-Blau. Man wolle hier vor allem sozialdemokratische Sympathisanten ansprechen, "die sonst, wenn sie FPÖ wählen, die ÖVP im Rucksack mitkaufen". Der Grüne Spitzenkandidat zeigte sich überzeugt: "Wenn Grüne der Wahlsieger sind und Freiheitliche der Wahlverlierer, dann heißt das was für die Inhalte, die in Österreich eine Rolle spielen." Aber auch im Kleinen - sprich: regionalen - Bereich könnte ein Erfolg für die Grünen anstehen. Der Trafikant Thomas Blimlinger hat realistische Chancen, in Wien-Neubau Bezirksvorsteher zu werden. Bei Christoph Chorherr lässt diese Aussicht naturgemäß Freude aufkommen: "Ja, das wäre toll!" (APA)