Mensch
Wiener Wissenschafter entwickeln potenzielle neue Wirkstoffe gegen Krebs
Platin und Ruthenium mit Proteinen verbunden
Wien - Protein-Metall-Verbindungen als zielgenaue Zytostatika: Wiener Wissenschaftern ist es gelungen, Platin bzw. Ruthenium an Eiweißstoffe so zu binden, dass diese chemotherapeutisch wirksamen Substanzen zielgerichtet in Tumoren ihre Wirkung entfalten. Das teilte der Fonds zur Förderung der Wissenschaftlichen Forschung (FWF) am Mittwoch in einer Aussendung mit.
Der Hintergrund: In der modernen Krebstherapie gehören Platinverbindungen (Cisplatin etc.) zu den am meisten verabreichten Therapeutika. Einige davon bewirken nicht nur eine Hemmung der Tumorbildung, sondern können bestimmte Krebsarten auch heilen - beispielsweise Hodenkrebs bei jungen Männern im Alter zwischen 25 und 35 Jahren. Tumorhemmende Wirkungen, speziell bei Darmtumoren, werden aber auch mit Rutheniumverbindungen erzielt. Bernhard Keppler vom Institut für Anorganische Chemie der Universität Wien hat, unterstützt FWF, neue Arten dieser Verbindungen entwickelt, die in Kürze klinisch - also an Patienten - erprobt werden sollen.
Hodenkrebs
Bei jungen Männern im Alter zwischen 25 und 35 Jahre ist Hodenkrebs eine der häufigsten Tumorarten. Diese Art von Krebs ist heute heilbar - dank spezieller Platinverbindungen. Heilung bzw. tumorhemmende Wirkung versprechen mittlerweile auch einige neue Arten von Platinverbindungen, die Keppler synthetisiert und nach ihren tumorhemmenden Eigenschaften und Wirkmechanismen charakterisiert hat.
Dem Wissenschafter ist es laut einer Aussendung des Fonds vom Mittwoch gelungen, diese neuen Verbindungen an bestimmte Trägermoleküle wie Peptide oder Proteine zu binden. Diese transportieren den Wirkstoff genau an bestimmte Stellen im Organismus, wo die Wirkung sich daraufhin gezielt entfalten kann.
Carrier-Moleküle
Keppler: "Bringen wir unsere Platinverbindungen etwa auf Carrier-Moleküle auf, die sie direkt an die Knochenoberfläche transportieren, können wir somit selektiv Knochentumore bzw. -metastasen behandeln. Durch den Kontakt mit der Knochenoberfläche wird die zytotoxische Verbindung überhaupt erst aktiviert, d.h. die Verbindung ist weitgehend untoxisch auf ihrem Weg durch den Körper, bis sie in den Knochen kommt, sie entfaltet erst dort die tumorhemmende Wirkung."
Bei Rutheniumverbindungen funktioniert die Methode ähnlich. Die Ruthenium-Metallkomplexe werden an Stelle des "normalen" Eisens in das Eisentransportprotein des Blutes eingeschleust. Diese Eiweißstoffe transportieren Eisen dorthin im Körper, wo es benötigt wird. Tumore im Darm etwa haben einen hohen Bedarf an Eisen. Durch das Transportprotein wird das Ruthenium in den Tumorbereich gebracht, wo es seine zytotoxische Aktivität entfaltet. Das Transportprotein Transferrin wirkt dabei wie ein Trojanisches Pferd und schleust in die bösartigen Zellen statt des benötigten Eisens das Ruthenium ein.
"Mit diesen Verbindungen können wir gezielt auch große Tumore erreichen und erfolgreich behandeln", erläutert Keppler. "Gerade bei Darmtumoren sind unsere Rutheniumverbindungen in den bisherigen Tests bedeutend besser wirksam, als die klinisch eingesetzten Therapeutika. Diese Wirkung soll in Kürze anhand von klinischen Tests nachgewiesen werden." Darüber hinaus werden in Kepplers Arbeitsgruppe auch Galliumverbindungen untersucht, die eine synergistische Wirkung mit etablierten Tumortherapeutika bewirken, und zwar durch die Interaktion dieser Metallkomplexe mit eisenhaltigen Enzymen. Damit wird die Zelle für die Tumortherapie sensibilisiert.(APA)