Auch wenn Sie es nicht merken - wenn ich mich vor den Bildschirm setze, möchte ich Ihnen irgendwie von Nutzen sein. Sei es auch nur damit, dass ich Sie mitunter ein ganz klein wenig zum Schmunzeln bringe.

Heute, so fürchte ich, wird mir dies kaum glücken. Ganz im Gegenteil, am Ende könnten Sie sich schrecklich aufregen. Das ist natürlich das Allerletzte, was ich möchte.

Denken Sie an Ihr Herz! Und, falls Sie unglücklicher Besitzer von derzeit lustig purzelnden New-Economy-Aktien sind, auch an Ihre enorm strapazierten Nerven.

Und jetzt komme auch ich mit Äußerungen daher, die Sie eventuell empören könnten. Deshalb will ich ganz fair sein: Also, wenn Sie das mit der Nato und den Bomben auf Jugoslawien als total okay empfunden und alle Meldungen über Tote und Zerstörungen als von nichts anderem als edler Humanität motiviertes und dem mondialen Gemeinwohl verpflichtetes Walten westlicher Gerechtigkeit zur Kenntnis genommen haben, dann ersuche ich Sie, von jetzt ab nicht weiterzulesen.

Gibt ja sicher genug anderes in unserer reichhaltigen heutigen Ausgabe, das Ihnen keinen Ärger bereitet, sondern die gesuchte und wohlverdiente erbauliche Entspannung bietet.

So. Sie sind also bei der Stange geblieben. Diesfalls bei der Fahnenstange. Und auch derer gibt es ja neuerdings schon wieder drei. Nicht nur jene der an allen Fronten ruhmreich und heldisch siegenden Nato. Und auch nicht nur jene, auf der die rote Flagge mit dem schwarzen Adler der rebellierenden albanischen Natoschützlinge weht. Seit gestern weht in der Pufferzone zwischen Serbien und dem Kosovo auch wieder, man lese und staune, die Fahne der jugoslawischen Streitkräfte.

Offiziell heißt es, die Serben sollen in einem Zweifrontenkampf einerseits Waffenlieferungen aus Jugoslawien in den Kosovo, andererseits das Eindringen albanischer Rebellen aus Mazedonien verhindern. Jetzt erlaube ich mir eine ganz naive Frage: Sind denn die bis an die Zähne bewaffneten Heroen der Kfor-Truppen dazu nicht selbst in der Lage?

Offenbar wirklich nicht. Und ich werde Ihnen auch sagen, warum: Weil man einzelne Kämpfer, die sich durch Wälder an die stets wechselnden Stellen ihrer Terrorakte schleichen, nicht aus tausend Meter Höhe mit Bomben erwischt.

Da muss man sich schon die Mühe machen, diesen Herrschaften persönlich entgegenzutreten. Von Mann zu Mann, wie man so schön sagt.

Doch auf so enge Tuchfühlung wollen die Herrschaften von der Nato mit ihren albanischen Schützlingen allerdings auch wieder nicht gehen. Vielmehr ist wohl das Gegenteil der Fall. Denn die Hosen der soignierten westlichen Strategen sind derzeit nicht nur wie stets korrekt gebügelt, sondern ausnahmsweise einmal auch gestrichen voll.

Die Diplomatie der Angst kennt keine Scheu vor Blamage: Jetzt sollen die Serben für die knieschlotternde Nato nicht die Kastanien, sondern die immer weniger übersichtliche Landkarte des Balkans aus dem Gewehrfeuer der albanischen Rebellen holen.

Und dies aber, wohlgemerkt, nur mit leichter Bewaffnung. Vielleicht, weil es den zuständigen Herren auf ein paar tote Serben mehr oder weniger nicht ankommt, zumal dann, wenn diese stellvertretend für die mit Fersengeld sehr großzügigen Nato-Kämpfer das Zeitliche segnen.

Ich staune, dass Herr Kostunica und Herr Djindjic da mitmachen. An ihrer Stelle hätte ich die westlichen Unterhändler mit einer süßen Feige bewirtet. Und Herr Djindjic, der ja so gut Deutsch kann, hätte diskret anmerken können, dass die deutsche Bezeichnung für diese Südfrucht auch als Adjektiv verwendet wird, das ihm rein zufällig in den Sinn kommt. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 15. 3. 2001)