Slobodan Milosevic mag der meist gehasste Mann Serbiens sein, doch die Führer der Opposition können ihre gegenseitige Abneigung kaum verbergen. Als Vuk Draskovic an der Spitze der größten Oppositionsgruppierung versuchte, die massiven Protestkundgebungen (vom 19. 8.) für sich zu kidnappen, lagen sich die Sicherheitsleute von Draskovic' Serbischer Erneuerungspartei und Zoran Djindjic' Demokratischer Partei offen in den Haaren. Eine Allianz gegen das Regime scheint in weitere Ferne gerückt als je zuvor.

Zwei Drittel Gegner

Seit der Vertreibung von einer Viertelmillion Serben aus der Krajina durch die kroatische Armee im Sommer 1995 haben nur noch ein Drittel der Wähler Milosevic ihre Stimme gegeben. Doch Arroganz, Gier und ewige Streitereien machten die Opposition zu einer leichten Beute von Milosevic' bewährter Strategie des Teilens und Herrschens.

Angesichts dieser politischen Bankrotterklärung haben viele Serben Angst vor einem Bürgerkrieg. Die Katastrophe kann verhindert werden. Die serbische Polizei ist zwar gut bewaffnet, aber schlecht ausgebildet und psychologisch nicht in der Lage, Massenkundgebungen zu kontrollieren. In der Armee sind nur die obersten Generäle uneingeschränkt loyal zu Milosevic; die meisten der Offiziere sind verbittert über das Ende des Kosovo-Kriegs, sie fühlen sich gedemütigt, vor allem aber schlecht bezahlt.

Last but not least deutet nichts darauf hin, dass Milosevic in Serbien Gewalt anwendet. Im Gegensatz zu seiner Einstellung Nicht-Serben gegenüber, zieht es der schlaue Autokrat innenpolitisch vor, Freunde und Feinde durch Bestechung, Propaganda und Wahlbetrug gegeneinander auszuspielen. Nach zehn Jahren an der Macht und beinahe 60 Jahre alt, wird er sich kaum mehr ändern. Die meisten hatten angenommen, er würde auf Grund der Anklage des Kriegsverbrechertribunals in Den Haag bis zum bitteren Ende weiterkämpfen, und doch hat er sich für eine bedingungslose Kapitulation entschieden.

Und hier ist seine Achillesferse. Die Ironie der letzten Proteste vor dem Parlament in Belgrad liegt darin, dass das Schicksal von Milosevic nicht auf der Straße, sondern im Parlament entschieden wird. Umso bedauerlicher ist es, dass Montenegros prowestlicher Präsident Milo Djukanovic sein Land abspalten will, statt mit der serbischen Opposition zusammenzuarbeiten.

Retter Djukanovic

Djukanovic ist wahrscheinlich am geeignetsten, die Regierung aus dem Würgegriff von Milosevic zu befreien. Da es keine direkten Wahlen für die zwei höchsten Ämter in Rest-Jugoslawien gibt, haben Serbien und Montenegro 1992 beschlossen, sie aufzuteilen. Ist der Präsident Serbe, muss der Premier Montenegriner sein. Das Problem mit Premier Momcilo Bulatovic ist nun, dass seine Partei bei den letzten Wahlen in Montenegro weniger Stimmen erhielt als die Partei von Djukanovic. Er wurde von Milosevic ins Amt gehievt. Fast alle serbischen Oppositionsführer geben Djukanovic Recht, wenn er die Legitimität der Bundesregierung in Frage stellt.

Dies scheint aber seinen separatistischen Bestrebungen entgegenzukommen. Einigt er sich mit der serbischen Opposition (indem er zum Beispiel in Aussicht stellt, Montenegros Unabhängigkeit aufzuschieben, falls ein neuer Premier rechtmäßig bestellt wird) und lenkt die öffentlichen Proteste auf die Forderung nach einem neuen Premier, könnte Jugoslawien Milosevic elegant verabschieden.

Weg zur Absetzung

Ein Premier aus Montenegro wäre in der Lage, die Forderungen der Opposition zu erfüllen. Milosevic müsste sich auf Repräsentation beschränken. Sobald er keine Macht mehr hat, wird sich seine Sozialistische Partei nach einem neuen Chef umsehen. Der Weg für Milosevic' Absetzung wäre frei.

Djukanovic ist die ideale Lösung für die serbische Opposition, da er als Montenegriner für sie keine Gefahr darstellt.

Es wäre aber naiv zu glauben, dass die Parlamentsabgeordneten der Milosevic-Partei sowie der Vereinigten Linken (geführt von Frau Milosevic) und von Vojislav Seseljs Radikalen Ultranationalisten für eine neue Regierung stimmen würden, von der sie nur Nachteile zu erwarten hätten. Selbst wenn dieses Wunder geschieht, bleibt offen, wer sie daran hindern könnte, ein paar Monate oder auch nur Wochen später die Arbeit der Regierung zu boykottieren.

Die Regierungskoalition von Präsident Milosevic scheint sich für Frühwahlen zu entscheiden. Wenn Djukanovic davon überzeugt werden kann, mit der Opposition zusammenzuarbeiten, um Milosevic zu entmachten, indem man seinen Marionetten-Premier entmachtet, ist der Weg zu freien Wahlen und zu einem demokratischen Serbien frei. Die Menschen auf der Straße sollten von Milosevic faire Bedingungen für die Wahlen und ein internationales Beobachterteam fordern (in dem natürlich die Nato-Länder nicht vertreten sind).

So können die Oppositionsparteien auch ohne Koalition im Parlament die Mehrheit stellen. Wie die neue Regierung beschaffen sein wird, ist schwer vorauszusagen, mit Sicherheit wird Milosevic nicht ihr Führer sein.

Aleksa Djilas lehrte Politikwissenschaft in Harvard und an der Universität Belgrad.
© Project Syndicate, Prag 1999