Graz - Aus nur zweieinhalb Metern Entfernung erschoss ein Grazer im Jänner vorigen Jahres einen Studenten mit einer Schrotflinte. Das Opfer war sofort tot, der mutmaßliche Täter wurde von der Polizei wenige Stunden nach der Tat gestellt. Zunächst leugnete er, mit der Tat etwas zu tun zu haben, später gab er die Schüsse zu. Am Donnerstag stand der 22-Jähriger in Graz vor einem Geschworenengericht. Er fühlte sich jedoch nicht schuldig, einen Mord begangen zu haben. Vorgeschichte Für die Tat selbst gibt es keinerlei Zeugen, wohl aber für die etwas verworrene Vorgeschichte. Jürgen H., der zugab, regelmäßig Suchtgifte und größere Mengen Alkohol zu konsumieren, war nach Angaben des Gerichtspsychiaters nie fähig, Beziehungen zu führen. Auch an den Tagen vor der Tat belästigte er eine Bekannte mit Anrufen, obwohl sie von ihm nichts mehr wissen wollte. Einen Freund wollte er um jeden Preis in seiner Wohnung behalten, doch dieser suchte ebenfalls das Weite. "Doppelt frustriert durch beide Absagen ging er schließlich in ein Lokal", erläuterte der Staatsanwalt. Dort suchte Jürgen H. einerseits Streit, andererseits soll er mehrere Männer sexuell belästigt haben. "Schließlich führte er sich immer blöder auf, er behauptete sogar, er sei Polizist", so der Ankläger. Schließlich musste H. auf Anweisung des Kellners das Lokal verlassen. Er ging weg, zusammen mit einem Gast. Was sich dann in der Wohnung des Angeklagten abgespielt hatte, kann nur vermutet werden. Tatsache ist, dass H. seinen Gast in der Tiefgarage erschossen hat. "Es war ein gezielter Schuss aus kurzer Distanz, das Opfer war sofort tot", so der Staatsanwalt, der von der Vorsätzlichkeit der Tat überzeugt war. "Wollte nur, dass er geht" "Er bereut die Tat zutiefst und entschuldigt sich bei der Familie des Opfers", leitete der Verteidiger sein Eröffnungsplädoyer ein. Seiner Meinung nach gab es keine Gründe für eine vorsätzliche Tötung. Der erschossene Student hätte den Angeklagten bedrängt, wodurch es zu einer "vom Verhalten des Opfers heraus resultierenden Spirale des Wahnsinns" gekommen sei. Die homosexuelle Ebene wurde vom Verteidiger heftig bestritten. "Mein Mandant ist eindeutig heterosexuell veranlagt und wollte sich gegen die homosexuellen Angriffe wehren". Der Angeklagte selbst, klein, schmächtig und mit Brille, gab sich vor Gericht ganz als Opfer. "Ich konnte mich gegen ihn nicht wehren, ich wollte nur, dass er meine Wohnung verlässt", sagte er immer wieder über den Erschossenen. Seine Angaben über sein Verhalten zuvor im Lokal deckte sich aber in keiner Weise mit den Angaben der Zeugen. Er will beispielsweise nie einem der anwesenden Männer Avancen gemacht haben. Dass ihn der 23-jährige Student schließlich nach Hause begleitete, sei auch ganz gegen seinen Willen geschehen. Sein späteres Opfer sei ihm auf den Fersen geblieben und in die Wohnung mitgegangen. Dort sei der Student - der noch zarter und schmächtiger als der ohnehin zierliche Angeklagte war - zudringlich geworden. Er habe sich nicht anders zu helfen gewusst, als dass er seine Schrotflinte aus dem Kasten genommen hätte. "Ich wollte ihn mit dem Gewehr einschüchtern, aber er hat mich nur ausgelacht", so der Beschuldigte. Schließlich habe er ihn hinaus führen wollen, auf die Straße. Doch tatsächlich landeten die beiden in der Tiefgarage. "Sie haben ihn in den Tod geführt", meinte Richter Gernot Patzak. In der Garage soll es ein letztes Mal zu Belästigungen seitens des Studenten gekommen sein. "Da hab ich ihn weggeschupft und abgedrückt", schilderte der Angeklagte. "Ich weiß nicht, was in mir vorgegangen ist, ich wollte nicht, dass es passiert", erklärte er. "...missachtet soziale Regeln" Im psychiatrischen Gutachten wurde dem 22-Jährigen bescheinigt, Wünsche und Gefühle anderer Menschen zu ignorieren, soziale Regeln zu missachten und von Egozentrik und Selbstbezogenheit beherrscht zu sein. Der Staatsanwalt beantragte eine Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher. (APA)