Das KunstHausWien zeigt erstmals in Österreich eine Retrospektive der Arbeiten Lord Snowdons. Markus Mittringer sprach mit dem Fotografen über die Praxis des Mediums. STANDARD-Fotograf Christian Fischer erweiterte den Diskurs. STANDARD: Sie haben Ihre Fotos vor allem für Zeitungen und Magazine gemacht. Jetzt hängen sie im Museum. Verändert das die Bilder? Snowdon : Am liebsten habe ich meine Bilder auf der Hauptstraße, in Geschäften, im Leben. Und ich mag sie ungerahmt und ohne Bildlegende. Das Museum hebt sie auf einen Level, auf dem ich sie nicht sehe. Dennoch: die Einladung der National Portrait- Gallery war eine große Ehre, und es freut mich, das daraus eine Wanderausstellung geworden ist, die jetzt hier in Wien hängt. STANDARD: Sie haben 1956 in Wien die Staatsoperneröffnung fotografiert. Snowdon : Ja, die haben mich zweimal hinausgeschmissen, weil ich keine Karte hatte! Dann habe ich mich im Schatten des damaligen Direktors der Londoner Oper doch hineingeschlichen, dort die Nacht bis zur Eröffnung verbracht und wunderschöne Fotos von Sena Jurinac gemacht. Aber die wollte dann keiner haben. Die liegen bis heute in meinem Archiv. STANDARD: Ist Ihr Archiv aufgeräumt? Snowdon : Es wird besser. Ich hatte vor fünf Jahren eine große Überschwemmung. Dabei wurde viel zerstört. Wo soll man all die Negative und Abzüge hingeben? Ich habe alles einer Agentur übergeben: Camera Press. STANDARD: Wo steht das Medium Fotografie heute? Snowdon : Alle Kurse am Royal College überlappen sich. Jeder verwendet die Fotografie: Die Maler, die Bildhauer . . . Ich verstehe den Fotokurs dort nicht mehr. Es hat sich so weit vom Eigentlichen entfernt. Mein Urgroßvater war politischer Karikaturist bei "Punch". Schon 1870 hat er Fotos benutzt, um Cartoons zu machen. Fotos können Künstlern als Hilfe dienen, aber Kunst sind sie nicht. STANDARD: Wo liegt die Grenze zwischen einem guten Bild und einem voyeuristischen? Snowdon : Die Kamera ist ein extrem aufdringliches Instrument. Sie darf nur mit äußerster Vorsicht eingesetzt werden. Die Leute verhalten sich anders, wenn jemand eine Kamera dabei hat. Ich bin gegen alle Fotos, die mit einem Teleobjektiv aufgenommen werden, gegen alle Fotos, wo die Leute nicht damit rechnen müssen, dass sie aufgenommen werden. STANDARD: Sie selbst machen ja keine Schnappschüsse? Snowdon : Ich nehme mir viel Zeit für meine Fotos, das hält den Augenblick manchmal viel unmittelbarer fest. STANDARD: Erarbeiten Sie Ihre Inszenierungen selbst oder in Kooperation mit den Porträtierten? Snowdon : Ich glaube, Recherche ist unendlich wichtig. Ich kooperiere intensiv mit Autoren, und ich beschäftige mich intensiv mit der Arbeit der Menschen, die ich fotografiere - bevor ich ein Bild mache. Heute fragte mich ein Journalist, ob das mein erster Wien-Aufenthalt wäre? Der hat seine Hausaufgaben nicht gemacht. Das ist Zeitverschwendung. Es gibt auch keine Garantie dafür, dass man ein gutes Foto bekommt, nur weil man seine Hausaufgaben gemacht hat. Aber der Kontakt mit der Person ist besser. Und das eröffnet eine Chance für ein gutes Bild. STANDARD: Wenn Sie ein Porträt machen . . . Snowdon : Ich mag das Wort "Porträt" nicht. Porträt klingt viel zu pompös, nach alten Meistern, nach Kunst. [Der STANDARD-Fotograf Christian Fischer kommt mit seiner Kamera zum Interview.] STANDARD: Ist seine Brennweite zu lang? Snowdon : Ja, und die Kamera hat einen Motor! FISCHER: Und Sie haben eine kleine Leica? Snowdon : Nein, die ist mir zu teuer. Ich verwende eine kleine Contax. Nur selten größere Fotoapparate, aber fragen Sie mich nicht, wie die heißen, ich mag sie nicht. Ich mag überhaupt keine Kameras. STANDARD: Und damit machen Sie typische Snowdon- Fotos? Snowdon : Wenn die Leute sagen, sie erkennen ein Foto am Stil, wenn sie sagen, sie erkennen, dass es von mir ist, dann habe ich einen Fehler gemacht. Ich bin anonym, Fotografen sind völlig unwichtig. Es soll über die Person erzählen, nicht über den Fotografen. FISCHER: Können Sie sich umsetzen, das Licht ist schlecht? Snowdon : Das heißt, Sie verwenden keinen Blitz? FISCHER: Niemals! Snowdon : Good! STANDARD: Arbeiten Sie mit Assistenten? Snowdon : Ja, mit Graham, der organisiert alles. Und er schaut niemals die Person an, die gerade fotografiert wird. Das ist extrem wichtig, ein Blick kann alles zerstören. Außerdem muss es ruhig sein, das inkludiert Schuhgeräusche. Die können einen total aus der Fassung bringen. STANDARD: Fühlen Sie sich jetzt wohl? Snowdon : Nein, es ist ganz entsetzlich, ein Interview zu geben und gleichzeitig fotografiert zu werden. Das raubt jede Konzentration. FISCHER: Für den Fotografen ist es aber besser! Snowdon : Nur weil man Sie dann wahrnimmt, mit ihrem großen Apparat. STANDARD: Haben Sie einen Tipp für junge Fotografen? Snowdon : Nein, ich rede viel mit ihnen, aber es würde mir nicht im Traum einfallen, Tipps zu geben, das wäre arrogant. Ich glaube man soll einfach früh zu arbeiten beginnen. Es gibt zu viele Kurse. Und da sitzen dann Schüler drinnen, die sind Mitte Dreißig. Das ist Unsinn. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 16. 3. 2001)