Wien - Wenn sich ein "fremder" Werkkommentar über das Werk legt, ist Komponisten-Leid angesagt. Friedrich Cerha, am 17. Februar 75 geworden, könnte wohl auch über die Interpretation durch andere ein Buch schreiben. Womöglich aber auch ein Musiktheaterstück. Eine diesbezügliche Oper muss jedoch noch warten; es entsteht ja zurzeit Der Riese vom Steinfeld , ein Opus, das 2002 an der Staatsoper uraufgeführt wird. Ein Buch zum Kommentarthema hat Cerha aber indirekt doch verfasst. Was nun unter dem Titel Schriften: ein Netzwerk ( Verlag Lafite ) erschien und bei der Lesung vor dem Konzert beim Hörgänge- Festival im Konzerthaus präsentiert wurde, war als Biografie geplant; es geriet indes zu einem Selbstporträt durch Cerha-Texte. Da entwirft also ein Komponist ein Selbstbild für andere, und konsequenterweise sind auch im Programmheft nur Selbstkommentare enthalten. Ja, es muss um das Verhindern von Leid gehen. Die Texte zeugen von der Gegenwehr eines historisch bewussten Komponisten gegen falsche Zuordnung seiner Ideen, hinter welcher er wohl Plagiatvorwürfe vermutet. Seine Definition von Neuheit aber lehnt die totale Negation der Geschichte ebenso ab wie das naiv-resignative Verstecken hinter alten Stilparavents. Das lässt sich natürlich auch nachhören: Monumentum für Karl Prantner demonstriert ein feines Gespür für die Inszenierung von Klangskulpturen und deren Mutation zu beweglichen Gebilden. Meditative Flächen, massige Entladungen und doch auch sanftes Dahinsinnieren, sie werden gediegen im Gleichgewicht gehalten und vom RSO Wien unter Petri Sakari auch delikat interpretiert. Konzert für Bratsche wiederum: eine lyrisch-filigrane Erzählung in der Version von Jürg Dähler, die auch Freund György Ligeti hörte. Er ist übrigens der Einzige, der Cerha die Position als meistgespielter zeitgenössischer Komponisten im Konzerthaus abspenstig macht. Noch. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 16. 3. 2001)