Die Lage in der mehrheitlich albanisch bewohnten west-mazedonischen Stadt Tetovo blieb am Wochenende weitgehend unverändert. Die Rebellen der albanischen Freischärler-Miliz UÇK (Nationale Befreiungsarmee) behaupteten ihre Positionen auf der Burg Kale und dem Baltepe-Hügel ein paar Hundert Meter über der Stadt. Die mazedonische Sonderpolizei brachte ein paar Schützenpanzer ins Zentrum. Diese werden von Sonderpolizisten als Deckung verwendet, von wo sie unregelmäßig und ohne erkenntliches System in Richtung der Rebellen feuern. Stundenweise kommen auch hinter der Stadt in Position gebrachte Granatwerfer und Haubitzen zum Einsatz. Die Wälder am Baltepe-Hügel sind dann in Rauchschwaden eingehüllt.

Das Leben in Tetovo ist zum Stillstand gekommen. Nur mehr wenige Menschen bewegen sich tagsüber in den Straßen, die meisten Geschäfte und Cafés sind geschlossen, viele Familien sind weggegangen. Die UÇK-Milizen erwidern gelegentlich das Feuer auf die mazedonischen Positionen oder auf die mazedonischen Scharfschützen, die in dem einen oder anderen Hochhaus positioniert sind. Ein Zivilist starb, mehrere weitere wurden seit letztem Mittwoch verletzt, als die Kämpfe zeitgleich mit einer Kundgebung von UÇK-Sympathisanten begannen.

Verstärkung für Kfor

Am Freitagabend wurde die Kaserne beschossen, die sich ein deutsches Versorgungskontingent der Kosovo-Friedenstruppe Kfor mit der mazedonischen Armee teilt. Ein deutscher Soldat erlitt leichte Verletzungen durch Glassplitter. Die Bundeswehr verlegte daraufhin ein paar "Leopard"-Kampfpanzer nach Tetovo.

Die UÇK verfügt nach fundierten Gerüchten über eine unbekannte Zahl bewaffneter Kämpfer in der Stadt selbst, die noch nicht involviert sind. Der Umstand, dass die in der Stadt operierenden mazedonischen Polizisten nicht hinterrücks angegriffen werden, bedeutet, dass die UÇK-Kommandeure in den Bergen die Lage vorerst nicht weiter verschärfen wollen.

Das bisher Erreichte - ein paar Dutzend Bewaffnete besetzen und halten den Hausberg von Tetovo - hat ohnehin psychologische Sogwirkung. Bis zu 2000 Freiwillige seien inzwischen zu dem Freischärlerhaufen gestoßen, behauptet das UÇK-Kommando in seinem Feldquartier in Selce, gleich hinter dem Berg. Ob die Zahl stimmt oder nicht - die Sympathien vor allem unter den jüngeren, wirtschaftlich schlechter gestellten Albanern aus dem dörflichen Milieu fliegen den Rebellen zu. Die an der Regierung beteiligte Demokratische Partei der Albaner (PDSh), die in zähem Ringen mit den mazedonischen Koalitionspartnern einige Verbesserungen für die Albaner erreicht hat, verliert gefährlich an Boden.

Es ist nicht abzusehen, wie sich diese Dynamik bremsen ließe, zumal sich der Stimmungsumschwung auf das gesamte von den rund 600.000 Albanern bewohnte Gebiet zwischen der Hauptstadt Skopje und dem Ohrid-See ausbreitet. (DER STANDARD Print-Ausgabe, 19.3.2001)