Die Explosionsserie an Bord der größten schwimmenden Bohrinsel der Welt am vergangenen Freitag stellt einen schweren Schlag für den brasilianischen Ölkonzern Petrobras dar. Zwei Leichen wurden bisher geborgen, weitere neun Personen werden vermisst. Rettungsmannschaften versuchen inzwischen zu verhindern, dass die Insel völlig umkippt und im Meer versinkt. Sonst würden 1,5 Mio. Liter Öl (etwa die Hälfte der Füllung eines Schwimmbads) freigesetzt.

Die 1994 in Italien gebaute und drei Jahre später an Petrobras verkaufte Plattform ging im Vorjahr in der Bucht von Campos in Betrieb. Von dort stammen heute bereits 80 Prozent der brasilianischen Rohölproduktion und 75 Prozent des Landesverbrauchs.

Riesige Ölreserven

Allein das so genannte Roncador-Feld, wo die Plattform mit der Bezeichnung P 36 verankert ist, birgt in Wassertiefen zwischen 1500 und 2000 Metern schätzungsweise drei Mrd. Barrel Ölreserven. P 36 zapft dieses Tanklager unter der Tiefsee an 21 Stellen gleichzeitig an und förderte vor dem Unglücksfall täglich 84.000 Barrel Öl sowie 1,3 Mio. Kubikmeter Erdgas. Spätestens im nächsten Jahr sollte die Plattform ihre volle Arbeitskapazität von 180.000 Barrel Rohöl und 7,2 Mio. Kubikmeter Gas pro Tag erreichen.

Aus noch ungeklärter Ursache rissen jetzt aber drei Explosionen Löcher in die Schwimmer und einen der Tragpfeiler von P 36, so dass Wasser eindrang und die Insel zum Kentern brachte. 175 Personen befanden sich zu diesem Zeitpunkt an Bord.

Zwar ist die rund eine halbe Mrd. Dollar (555 Mio. EURO/75 Mrd. S) teure Plattform versichert, doch droht Petrobras auch bei Rettung der Anlage zumindest vorübergehend ein Förderausfall von etwa sieben Prozent der gesamten Tagesleistung des Konzerns. Nach Angaben von Finanzdirektor Ronnie Vaz käme eine Totalhavarie Einnahmeverlusten von 450 Mio. Dollar bis Ende 2001 gleich. An den Börsen von Sao Paulo und New York fiel der Aktienkurs des Unternehmens bei Bekanntwerden der Unglücksnachricht um fünf bis sechs Prozent.

Betriebsunfälle bei Bohrplattformen auf hoher See trafen in der jüngeren Vergangenheit zwar auch andere Firmen der Branche, vor allem zum Beispiel bei der jahrzehntelangen Ausbeutung von Ölfeldern in der Nordsee. Bei Petrobras häufte sich die Zahl solcher Vorkommnisse 1998/ 2000 jedoch bedrohlich von zehn auf 47, wobei es jedes Jahr etwa zehn Tote gab.

Diese Bilanz überschattet das Vorhaben des Konzerns, durch milliardenschwere Investitionen in die Offshore-Exploration (teils im Verbund mit anderen Multis der Branche) bis zum Jahr 2005 die völlige Autarkie bei Rohöl zu erzielen. Gestützt auf selbst entwickelte Technologien, trieb das brasilianische Unternehmen die maximale Fördertiefe seiner insgesamt 45 Bohrinseln inzwischen auf 1900 Meter unter dem Wasserspiegel voran. P 36 arbeitete bisher allerdings "nur" mit 1360 Meter Fördertiefe.(STANDARD-Mitarbeiter Lorenz Winter aus Rio, Der Standard, Printausgabe, 19.03.2001)