Das Gebot der Stunde heißt Gelassenheit: Wer auf Aktien setzt, kann auch jetzt noch Geld verdienen. Denn so manche Titel sind mit der Talfahrt der Börsenplätze nun ziemlich günstig zu haben. Gerhard Lottes von der Invesco Bank rät, eine Branchenrotation ins Auge zu fassen: "Die Verlierer können schnell wieder zu Gewinnern werden." Anleger sollten das Risiko möglichst breit streuen. Denn das Sicherheitsnetz habe derzeit "zu große Löcher" bekommen.

Für sehr Vorsichtige eigne sich ein Mix aus Unternehmensanleihen (30 bis 40 Prozent) und Staatsanleihen. Denn da sei die Ausfallquote sehr gering und die Chance, mögliche kleine Verluste schnell wieder in Gewinne zu verwandeln, sehr hoch. Generell ortet der Experte im Verhalten der Märkte eine Verschiebung von der Branchenkorrelation zur Länderkorrelation. "Die Länderkorrelation ist in den vergangenen fünf Jahren auf den Faktor 0,8 Prozent angestiegen", sagt Lottes. Das bedeutet: Was der New Yorker Dow Jones der 30 führenden Industriewerte macht, macht der Rest der Welt zu 80 Prozent mit. Demgegenüber geht die Branchenkorrelation zurück. Was heißt: Fallen Technologiewerte, müssen Biotechwerte nicht unbedingt mit fallen.

Wählerisch sein

Das regt Lottes zur Feststellung an: "Eine risikoreduzierte Anlagemöglichkeit ist daher, auf die Hauptmärkte USA und Europa zu setzen plus fünf bis sechs unterschiedliche Branchen herauszupicken." Dabei gelte es allerdings, das richtige Händchen zu beweisen. Peter Brezinschek, Chefanalyst der Raiffeisen Zentralbank (RZB), hat für Risikobewusstere die europäischen und amerikanischen Aktienmärkte von negativ auf kurzfristigen, spekulativen Kauf gesetzt.

Die Prügeleien der Aktienkurse infolge negativer Zahlen hätten vorige Woche zu einem ersten Verkaufshöhepunkt geführt. Brezinschek schließt aber nicht aus, dass ein zweites Börsengewitter Ende April folgen könnte - dann nämlich, wenn die US-Unternehmen ihre ersten Quartalszahlen bekannt geben.

Prinzipiell rechnen die RZB-Experten mit einer Erholung der Kurse zu Jahresmitte. Sie favorisieren Technologieaktien und Versicherungen und geben sich vorsichtiger bei Banken sowie Versorgern.

Optimismus

Franz Gschiegl, zuständig für den Aktienbereich bei der Erste-Sparinvest, ist optimistisch: "Die nächste Hausse (Kursanstieg Anm.) kommt bestimmt." Er sieht in Investmentfonds einen relativ sicheren Hafen, in dem das Risiko breit gestreut sei. Angesichts der jüngsten Kursverluste meint er aber auch, dass nun die Zeit erreicht sei, den Aktienanteil im Portfolio zu erhöhen.

Auch gemischte Fonds hätten Verluste verbucht, die sich aber in Grenzen gehalten hätten. Gschiegl erwartet für das erste Quartal dennoch keinen so starken Zulauf bei den Investmentfonds wie im Vorjahr. "Der Sättigungsgrad in Relation zum Sparanlagevermögen ist fast erreicht." Immerhin bliebe die Hoffnung auf ein einstelliges Wachstum, fünf bis zehn Prozent mehr Fonds könnten heuer an die Anleger gebracht werden.

Das sei auch die Anlageform, auf die Frau und Herr Österreicher am liebsten für ihre Pensionsvorsorge und Eigenvorsorge generell setzen. Denn das Risiko sei breit gestreut. Und die heimischen Sparefrohs lassen sich wohl auch nicht so schnell von ihrem Sicherheitsdenken abbringen.(Esther Mitterstieler, Der Standard, Printausgabe, 19.03.2001)