Berlin - Das dreijährige Tauziehen ist zu Ende: Mit Dauerapplaus und Jubel haben am Montag die 1.000 Delegierten den dreitägigen Gründungskongress der neuen Supergewerkschaft ver.di begonnen. Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft wolle sich Neuem zuwenden und sei deshalb mehr als nur eine Fusion von fünf Gewerkschaften, sagte der bisherige Vorsitzende der Deutschen Postgewerkschaft (DPG), Kurt van Haaren, in seiner Eröffnungsansprache in Berlin. Ver.di wird knapp drei Millionen Mitglieder in fast 1.000 Berufen vertreten und avanciert damit zur größten freien Einzelgewerkschaft der Welt. Neben der Postgewerkschaft gehen in ver.di die Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ÖTV), die Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen (HBV), die Deutsche Postgewerkschaft (DPG), die IG Medien und die Deutsche Angestellten-Gewerkschaft (DAG) auf. Van Haaren sagte, ver.di werde sich mit ganzer Kraft einmischen und sich für die Rechte der Arbeitnehmer einsetzen. Sie werde für bessere Beschäftigungsverhältnisse und Einkommen, für soziale Standards und Arbeitnehmerrechte kämpfen. Dabei werde die neue Gewerkschaft mehr erreichen als die einzelnen Gewerkschaften zuvor. Kräfte bündeln um Machtverhältnisse zu ändern Der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Dieter Schulte, sprach von einem "historischen Augenblick". Er hob zugleich die Bedeutung des DGB als Dachverband hervor, der dem gemeinsamen Handeln eine Richtung gebe. "Wir brauchen keine Machtkämpfe untereinander", sagte Schulte. "Wir wollen unsere Kräfte bündeln, um die Machtverhältnisse in dieser Gesellschaft zu verändern." Bundespräsident Johannes Rau nannte die Gründung von ver.di die richtige Antwort auf die Orientierung der Wirtschaft in Richtung Dienstleistungen. Die neue Organisation sei aber auch ein nie da gewesenes Experiment. Das Staatsoberhaupt forderte ein neues Gleichgewicht zwischen den Interessen der Beschäftigten und betrieblichen Erfordernissen. Dazu seien Sicherheit und Berechenbarkeit in den Arbeitsverhältnissen nötig. Gewerkschaften seien nicht mehr in dem Maße Spiegelbild der Gesellschaft, wie sie es seien sollten, kritisierte Rau. So machten die Arbeiter 60 Prozent der Gewerkschafter aus, obwohl sie nur 35 Prozent der Beschäftigten stellten. Zur Minderung von Problemen wie der nach wie vor hohen Arbeitslosenzahl seien handlungsfähige Gewerkschaften aber nötig. Bereits vor der offiziellen Gründung kündigte der designierte Chef der neuen Gewerkschaft, der bisherige ÖTV-Vorsitzende Frank Bsirske - er soll am Dienstag zum ver-di-Chef gewählt werden - erste Ziele an. Trotz Privatisierung bei der Bundeswehr müssten betriebsbedingte Kündigungen der zivilen Beschäftigten ausgeschlossen werden, forderte er laut einer Mitteilung des Berliner Radiosenders F.A.Z. 93.6: "Bei der Bundeswehr stehen 50.000 bis 60.000 Arbeitsplätze auf der Kippe. Nach Auffassung der bisherigen Vorsitzenden der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen, Margret Mönig-Raane, muss ver.di nun zur praktischen Arbeit übergehen. Dabei werde keiner der fünf Fusionspartner "untergebuttert", sagte sie laut einer Mitteilung des Deutschlandradios Berlin. Sie hoffe, dass in drei Jahren die Funktionäre "mit dem Herzen Verdianerinnen und Verdianer geworden sind", sagte Mönig-Raane, die für einen Stellvertreterposten im ver.di-Vorstand nominiert ist. Den Schlusspunkt unter die Fusion setzt die Eintragung ins Vereinsregister, die frühestens Anfang Juli erwartet wird. Bis Mittwoch will die neue Supergewerkschaft unter anderem ihren 19-köpfigen Bundesvorstand wählen. Auf dem Kongress soll auch die inhaltliche Diskussion starten: Die Anträge an den Kongress beschäftigen sich mit gewerkschaftlichen Kernthemen wie Weiterbildung und betrieblicher Mitbestimmung.(APA)