Tokio - In einem Rückzieher in kleinen Schritten hat die japanische Notenbank am Montag ihre bisherige Geldpolitik über Bord geworfen. Das Wirtschaftswachstum der zweitgrößten Industriemacht soll mit einer De-facto-Senkung der Taggeldzinsen auf null belebt werden. Zugleich will die Bank of Japan (BoJ) die Nullzinsen beibehalten bis Japan wieder eine positive Inflation zeigt. Das Resultat ist eine Nullzinspolitik, die in der Einschätzung führender Ökonomen bis Mitte 2003 dauern könnte, da erst dann mit einer Erholung der Konsumentenpreise zu rechnen ist. Der unter Druck geratene japanische Notenbankchef Masaru Hayami spielte mit den japanischen Politikern am Montag eine gekonnte Schlussrunde im Kampf um die Lockerung der japanischen Geldpolitik. Mit einem gesichtswahrenden Rückzieher auf die Position, dass die BoJ künftig den Zins für Taggeld nicht mehr vorgeben werde, wurde de facto die im August 2000 aufgegebene Nullzinspolitik wieder rehabilitiert. Inflationsziel Interessanter ist diesmal der implizierte Zeitraum, für den diese ultralockere Geldpolitik beibehalten werden soll. Die neue Geldpolitik werde solange in Kraft bleiben, bis sich der Verbraucherindex, der seit zwei Jahren stetig fällt, wieder steige. Damit habe sich die BoJ indirekt ein Inflationsziel gesetzt, sagt Richard Jerram, Ökonom von ING Barings in Tokio. Diese Vorgabe zwinge die Notenbank, ihre Politik über einen langen Zeitraum, voraussichtlich mehr als zwei Jahre, beizubehalten. Die Nullzinspolitik wird faktisch mit der Erhöhung der in der Notenbank gehaltenen Guthaben der Geschäftsbanken von bisher vier Billionen auf fünf Billionen Yen erreicht. Diese bereits zwischen Februar 1999 und August 2000 eingeführte Praxis hatte damals wenig dazu beigetragen, die Kreditvergaben der Banken an Unternehmen zu erhöhen. Diese Maßnahme beschleunigte weder das Geldwachstum, noch vermochte sie die Deflation zu bekämpfen. Der Yen stieg in diesem Zeitraum gegenüber sämtlichen Währungen. Hart blieb der BoJ-Vorstand auch gegenüber der Forderung der Politiker, mittels direkten Aufkäufen von Regierungsanleihen eine zusätzliche quantitative Lockerung zu bewerkstelligen. Sie will ihre monatlichen Käufe in der Höhe von 400 Milliarden Yen nur erhöhen, falls es notwendig werde. Stattdessen rief sie die Politiker auf, nun endlich mit "schmerzhaften Reformen" die nachhaltige Erholung der Konjunktur voranzutreiben. (André Kunz, DER STANDARD, Printausgabe 20.3.2001)