Jacques Chirac hat Paris verloren, die Bastion der Gaullisten und sein politisches Sprungbrett seit den Siebzigerjahren. Und Frankreichs Staatspräsident hat die Niederlage in "sei- ner" Stadt selbst verschuldet: Als er 1995 zum Staatschef gewählt wurde, designierte er als Nachfolger nicht den soliden Gaullisten Edouard Balladur, sondern den skandalumwitterten Jean Tiberi. Bis zur Stichwahl schaute Chirac tatenlos zu, wie sich die Gaullisten zerfleischten.

Und doch: Der politische Wechsel in Paris ist nicht unbedingt ein Vorzeichen für die Präsidentschaftswahlen von 2002. Erstens läuft Chirac erst im Wahlkampf zu Hochform auf. Zweitens hat sein mutmaßlicher Herausforderer Lionel Jospin am Wochenende alles andere als ein Volksplebiszit erhalten, sondern in der weiten Provinz selbst eine Niederlage erlitten. Und drittens könnte der Wahlsieg der Linken in Paris paradoxerweise Chirac helfen: Der gaullistische Präsident wird argumentieren, wenigstens der Staatspräsident sollte rechts stehen, um der Linken, die in Paris auf allen Ebenen dominiere, auf die Finger zu schauen. Das zieht bei den Franzosen, die ihren Politikern nie über den Weg trauen, wie die Beliebtheit der Cohabitation zeigt, der gemeinsamen Regierung eines linken Premiers und eines rechten Staatschefs.

Wer in einem Jahr in das Elysée einzieht, werden Frankreichs Wähler zu gegebener Zeit entscheiden. Dass sie durchaus zu unterscheiden wissen zwischen einem lokalen Urnengang, der ihnen für sechs Jahre neue Bürgermeister beschert, und der - buchstäblichen - "Königswahl" im Frühling 2002, haben die Franzosen mit der jüngsten Wahl wieder bewiesen. Es waren die Medien und Parteien, die die kommunale Entscheidung zu einem "Stimmungstest" für das Duell um den Elysée-Palast machen wollten. Die Wähler hüten sich, das Pendel zu früh in eine Richtung ausschlagen zu lassen.

(DER STANDARD, Print- Ausgabe, 20. 3. 2001)