Wie mit den Parteien überhaupt, geht es auch mit deren Methoden der Personalfindung seit langem bergab. Genau genommen seit der Zeit, als man auch in der österreichischen Politik begann, alles auf die Karte eines zugkräftigen Spitzenkandidaten zu setzen und die Partei selber nur noch als eine Art möglichst weltanschauungsfreier Wahlmaschinerie zu betrachten, die dem Spitzenkandidaten zuzuarbeiten hat. War der Spitzenkandidat erfolgreich, sorgte er in neuer Funktion dafür, dass die Partei Wahlkampfmaschine blieb und nicht etwa durch allzu viel abweichende Meinungsbildung oder sonstige Anfälle innerparteilicher Demokratie seine Pläne durchkreuzte. Am Anfang dieser Entwicklung stand die SPÖ mit Bruno Kreisky, der aber trotz der unbestrittenen Autorität, die er sich mit der Eroberung der absoluten Mehrheit sicherte, die Traditionen der Partei, aus der er kam, immer respektiert hat. An ihrem vorläufigen Ende steht die FPÖ eines Jörg Haider, dem nichts heilig ist, und die eigene Partei schon gar nicht. Von den Spitzenkandidaten sprang die Gewohnheit, bei der Personalauswahl den Kriterien vorpolitisch erworbener Popularität, medialer Verkaufbarkeit oder anders gearteter Opportunität den Vorrang vor parteipolitischem Verdienst zu geben (abfällig Ochsentour genannt), immer öfter auf die Kandidaten der zweiten und dritten Reihe über. Gleichzeitig vernachlässigten die Parteien ihre alten Systeme der Funktionärsrekrutierung, soweit sie solche überhaupt hatten - das System der quereinsteigenden Stars schien sie überflüssig zu machen. Nun ist prinzipiell nichts gegen Quereinsteiger in die Politik zu sagen, sie könnten unvoreingenommen und frei von parteilicher Betriebsblindheit neue Impulse geben und verkrustete Strukturen aufbrechen helfen. Leider sind in Österreich bisher nicht viele Fälle bekannt geworden, in denen dies gelungen wäre. Meist ist Scheitern angesagt, entweder auf hohem Niveau - man erkennt irgendwann, dass man doch nicht zusammenpasst; oder unter jedem Niveau - wie im Vorfeld dieser Gemeinderatswahl. Jörg Haider macht aus der personalpolitischen Not seiner Bewegung schon seit langem eine Untugend, indem er Bereiche des Sports und der Medien nach populären Figuren absucht, die er für seinen Populismus instrumentieren könnte. Oft hat er sensationelle Überraschungen angekündigt, geblieben ist es dann bei Talenten wie dem Abgeordneten Patrick Ortlieb oder den Geschäftsführern Theresia Zierler und Peter Sichrovsky. Aber was sich diesmal im Vorfeld der Wiener Gemeinderatswahlen auf der Liste der Wiener Freiheitlichen abspielte - nicht nur mit dem plakativen Dreikampf Kabas - Partik-Pablé - Haider an der Spitze, sondern auch um Peter Schumann, war - ist - eine demokratiepolitische Zumutung. Keiner anderen Partei würde die Partei der Anständigen einen solchen Kandidaten durchgehen lassen - sie setzt ihn, in voller Kenntnis der Person, auf ihre Liste. Ob dessen Ausspruch, er fühle sich in einer braunen Partei wohl, da wirklich nur zynisch gemeint war oder nicht doch vom Herzen kam? Aber auch die Wiener Volkspartei hat mit Leckerbissen aufzuwarten, die früher kaum auf ihrer Liste gelandet wären. Nicht von der Quereinsteigerin im ersten Bezirk ist die Rede - so viel Aufgeklärtheit, sie auf die Liste zu setzen, hätte man der Volkspartei gar nicht zugetraut. Aber ein Querumsteiger, den die ÖVP nun in einem Prospekt mit dem Slogan "Was gut war an der FPÖ, ist bei mir in besten Händen!" als einen der Ihren preist, gibt doch zu denken. Aber warum sollte Bernhard Görg auf die paar Stimmen, die Rüdiger Stix vielleicht bringt, verzichten? (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 21.3.2001)