Die Besucher aus dem Ausland, die sich dieser Tage im Weißen Haus die Klinke in die Hand geben, kommen alle mit demselben Eindruck aus ihren Treffen mit US-Präsident George W. Bush und der neuen Regierung in Washington: "Bitte nicht stören, sie denken noch nach." Bush hat mittlerweile den südkoreanischen Präsidenten Kim Dae Jung passieren lassen, den irischen Premier Bertie Ahern mit seinem britischen Kollegen Tony Blair und nun Israels Regierungschef Ariel Sharon. Sie alle wollten Auskunft über die Rolle, die Washington künftig in den verschiedenen Regionalkrisen zu übernehmen gedenkt, doch Bush wehrte ab.

Südkoreas Präsidenten gab Bush zu verstehen, dass Washington sich nicht länger an Verhandlungen auf der geteilten koreanischen Halbinsel beteiligt, vor allem keine weiteren Gespräche mit dem kommunistischen Norden über dessen Raketenarsenal führen will. Im Konflikt um Nordirland will der US-Präsident erklärtermaßen erst abwarten, bis er zur Vermittlung eingeladen wird. Den Posten des Nahost-Sondergesandten wiederum hat die Bush-Regierung gleich abgeschafft. So gesehen sind die ersten außenpolitischen Weichenstellungen der Republikaner durchaus beachtlich. Ein "Isolationismus light" zeichnet sich ab: Aktiv werden die USA nur dort, wo sie Interessen haben.

Doch isoliert scheint in Wirklichkeit vor allem Außenminister Colin Powell. Seine offenere Haltung zu US-Interventionen stößt mehr und mehr auf den gemeinsamen Widerstand von Sicherheitsberaterin Rice, Verteidigungsminister Rumsfeld und Vizepräsident Cheney. Die abwartende Haltung des Präsidenten mag dem Neustart der Regierung geschuldet sein, eine politische Kursänderung im Vergleich zur Ära Clinton andeuten - sie kaschiert in erster Linie Meinungsunterschiede innerhalb der Regierung Bush. Doch besonders in Nahost wird der US-Präsident nach bald sechs Monaten Intifada Farbe bekennen müssen. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 21.3.2001)