Nicht dass Jorge Aregall dafür wäre, dass die Leute ihre Wahlentscheidung allzu schnell träfen. Nicht dass er meint, Politik sei etwas, was man ausspucken solle, bevor sie schal wird. Und schon gar nicht, so der 29-Jährige, wolle er, dass man Politikern eine klebt.
Dennoch lässt Aregall kauen, spucken und kleben. Unter dem Titel "Multiple Juice" finden sich derzeit in unmittelbarer Nähe zahlreicher Wahlkampfveranstaltungen - mit Wissen und Wollen der jeweils wahlwerbenden Partei - Wahlzellen nachempfundene Holzverschläge, in die einzutreten der in Wien lebende Argentinier einlädt. "Virtuelle Wahlzellen", nennt sie Aregall. Bewaffnet mit einer Hand voll Kaugummis sollen Passantinnen und Passanten - nachdem grundsätzlich-menschliche Missverständnisse ("nein, hier können Sie kein Auto gewinnen") geklärt sind - komplexe Fragen mit einfachen Antworten nach Multiple-Choice-Vorbild beantworten. Der Kaugummi dient dabei als demoskopisch-demokratisches Stimmgerät: Er wird zur jeweils gewählten Antwort gepickt - und bleibt als Trendindikator allen später Wählenden sichtbar.
Mag man bei Fragen wie "Wo ist Gewalt zu Hause?" (Antwortmöglichkeiten: TV/ Ausland/Seele/die Vorstellungen unserer Kinder) oder "Welche Tugend bereitet Ihnen Vergnügen?" (Gehorsam/ Fleiß/Verantwortung/ Traumatologie) noch einen politischen Hintergrund zu orten vermeinen, gleitet die Umfrage später ab: Bei "Ein unzufriedener Mensch kann . . ." (Änderungen vorschlagen/sich baden, wann immer er will/in einer verdächtigen Weise agieren/als gefährlich gelten) etwa kleben erstaunlich viele Kaugummis bei "baden" und "verdächtig agieren".
"Die Leute bleiben bis zu einer Viertelstunde in der Wahlzelle", freute sich Aregall vergangene Woche, als er eine Grün-Veranstaltung begleitete - und auch die Bereitschaft, an einem Spiel teilzunehmen, bei dem es im Grunde um nichts anderes geht, als mitzumachen, sei überraschend hoch.