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Die Ursache der Verstopfung an Österreichs Universitäten: Falsche Diagnose, schlechte Therapie<br><i>Klaus Poier</i>
Immer wieder wird von politischer Seite betont, dass die vorgeschlagene Dienstrechtsreform im Universitätsbereich dem
wissenschaftlichen Nachwuchs neue Chancen eröffnen soll. Zudem wird behauptet, dass die angekündigten Maßnahmen nötig
seien, um die Verstopfung der Universitäten zu beheben.
Beide Argumente können von den Betroffenen nur als Zynismus aufgefasst werden: Zum einen, weil doch gerade sie - die 25- bis
35-Jährigen - den wissenschaftlichen Nachwuchs repräsentieren, dessen Karrieren nun dem Sparstift geopfert werden sollen; zum
anderen, weil die "Verstopfung" primär nicht auf Qualifikationsdefizite, sondern schlicht auf falsche Personalpolitik zurückzuführen
ist: Tatsächlich waren in den vergangenen fünfzehn Jahren die Chancen für die Nachstrebenden gering, da man in der Firnberg-Ära
sehr viele junge Professoren berufen hatte und in der Folge kaum Stellen frei wurden.
In den nächsten fünf bis zehn Jahren wird sich allerdings ein dramatischer Umbruch ergeben, da ein hoher Prozentsatz der
Professoren in Pension geht. Werden aber nun just die 25- bis 35-Jährigen, von denen viele knapp vor der Habilitation stehen,
"speedig" gekillt, wird es in vielen Bereichen große Lücken geben. Wir sind daher auf dem besten Weg zu einer neuerlichen
Fehlplanung.
Weiters wird auch immer davon gesprochen, dass die Universität nun mehr "wirtschaftliche Effizienz" brauche. Kein
Wirtschaftsbetrieb würde jedoch je eine solche Dienstvertragsgestaltung anwenden, wie sie derzeit für die Universitäten geplant ist.
Welches Unternehmen würde sagen: Wir nehmen dich für vier Jahre, dann musst du ein bisschen arbeitslos sein, bis wir eine neue
Stelle für dich haben, auf die du dich bewerben kannst, nach weiteren vier Jahren bist du wieder arbeitslos, und nach insgesamt 15
Jahren musst du auf jeden Fall gehen - es sei denn, es ist gerade einer der wenigen Managementposten frei? - Ist das die viel
gepriesene "Leistungsorientierung", die die Regierung meint?
Die Ministerin erhielte sicher große Zustimmung, wenn sie sagen würde, dass das bisherige Evaluierungssystem gescheitert ist -
was zum Teil ja stimmt - und dass nun eine strenge Leistungskontrolle käme, nach der nur die Besten bleiben dürften. Und
wirklich mutig wäre die Forderung, dass auch Pragmatisierte nur bei Leistungserbringung Vertrauensschutz genießen sollten. Von
all dem ist jedoch leider keine Rede.(DER STANDARD, Print-Ausgabe, 21. 3. 2001)