Wien - Spät, aber doch: Gut hundert ForscherInnen beschäftigen sich derzeit mit der Haltung der österreichischen Hochschulen und Wissenschaften in der Zeit des Nationalsozialismus und danach. Möglichst viele von ihnen zum Wissensaustausch zusammenzuführen ist das Ziel eines Symposiums, das am Donnerstag in der Uni Wien stattfindet. In der Uni deshalb, wie Rektor Georg Winckler Dienstag betonte, weil diese sich in ihrem neuen Leitbild verpflichtet habe, "ihre Verstrickung in die Verbrechen des Nationalsozialismus kritisch zu reflektieren". Margit Szöllösi-Janze etwa, Geschichtsprofessorin an der Uni Salzburg, wird über ihre Arbeiten zum Verhältnis von Wissenschaften und Politik im "Dritten Reich" berichten. Das alte Argument, die Nazis hätten die Hochschulen gleichgeschaltet und die Spitzenleute in die Emigration getrieben, die Unis seien also instrumentalisierte Opfer gewesen, sei nicht haltbar. Es sei vielmehr ein Geben und Nehmen gewesen. "Gerade die Techniker", weiß Historikerin Juliane Mikoletzky, die das Archiv der TU Wien durchforstet, "die sich immer als ideologieresistent betrachten", seien über die hervorragenden Karrieremöglichkeiten vereinnahmt worden. Dementsprechend habe es unter den Technikern weniger Vertriebene gegeben als unter anderen Wissenschaftern. Tagungsorganisator und Geschichtsprofessor Mitchell Ash (Uni Wien) wiederum beschäftigt sich mit den Umbrüchen 1933/38 und 1945 und den nachfolgenden Wandlungen in der Wissenschaft. Auch er kommt zu dem Schluss, dass Wissenschafter genauso gut Ressourcen aus der politischen Sphäre für ihre Zwecke mobilisieren können wie Politiker aus der Wissenschaft. Eine scharfe Trennlinie zwischen beiden Sphären sei nicht möglich. Nach Umbrüchen könne man daher nicht von einer Neukonstituierung der "freien" Forschung sprechen, sondern eher von der Neuverflechtung in neue politische Zusammenhänge. (hk, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 21. 3. 2001)