Wien - Schäfchen zählen statt schlafen, quälende Stunden wach im Bett, überhandnehmende Tagesmüdigkeit: 25 bis 30 Prozent der Österreicher schlafen schlecht. Bei mehr als 80 Prozent der Betroffenen dauert dieser Zustand länger als ein Jahr an. Trotzdem dürfte ein Großteil der Leidenden keine professionelle Hilfe erhalten. "Schlafstörungen werden nicht tabuisiert, sie werden verschlampt", erklärte am Mittwoch Univ.-Doz. DDr. Michael Lehofer von der Landesnervenklinik Sigmund Freud (Graz) bei einem Pressegespräch in Wien. Anlass war der "Internationale Tag des Schlafes" (21. März), zu dem auf das Problem verstärkt hingewiesen werden sollte. Die Wiener Sozialmedizinerin Univ.-Prof. Dr. Anita Rieder zu dem Ausmaß des Problems: "Wir haben seit Anfang der neunziger Jahre sehr viele Daten erhoben. Es zeigt sich, dass 25 bis 30 Prozent der Österreicher schlecht schlafen. Wir wissen, dass die Schlafqualität subjektiv beeinträchtigt ist, aber auch die Lebensqualität insgesamt." Frauen sind drei Mal häufiger betroffen Besonders betreffen Schlafstörungen Menschen im höheren Lebensalter. 41 Prozent der mehr als 50-Jährigen dürften in Österreich solche Probleme haben. 84 Prozent der "Schlaflosen" leiden daran länger als ein Jahr, es handelt sich somit um eine chronische Erkrankung. Frauen sind drei Mal häufiger davon betroffen als Männern. Gründe liegen hauptsächlich im psychischen Bereich Die Gründe liegen zunächst einmal hauptsächlich im psychischen Bereich. Univ.-Prof. Dr. Bernd Saletu, Chef des Schlaflabors an der Psychiatrischen Universitätsklinik in Wien und Präsident der Österreichischen Schlafgesellschaft: "70 Prozent leiden an Schlafstörungen emotioneller Natur." Das sind Angstzustände, Stress- und Belastungsreaktionen. Einen weiteren großen Anteil stellen die Depressiven dar. 90 Prozent aller Patienten mit Depressionen klagen über Schlafstörungen. Dann folgen Personen mit Alkohol- oder Drogenmissbrauch. Schließlich gibt es auch noch organische Ursachen. Großteil wird nicht behandelt Das größte Problem: Ein Gutteil der Betroffenen wird wegen mangelnder Diagnose nicht professionell behandelt, "Selbstmedikation" ist laut den Fachleuten nicht der richtige Weg. Univ.-Prof. Dr. Göran Hajak von der Universitätsklinik Regensburg: "Schlafgestörte Patienten werden zu 50 Prozent nicht als solche diagnostiziert. Die Ärzte fragen nicht danach. Die Patienten erzählen es nicht." 7 und 9 Stunden Schlaf pro Nacht Über den Schlaf informieren, aufklären und fortbilden. Univ. Prof. Dr. Göran Hajak von der Universitätsklinik Regensburg ist davon überzeugt, dass Erfolg und Gesundheit durch guten Schlaf gefördert werden: "Wer zwischen 7 und 9 Stunden Schlaf pro Nacht braucht, unterliegt im Mittel einem geringeren Sterberisiko als diejenigen Menschen, die weniger oder mehr schlafen. Übermüdung kann Katastrophen auslösen. Tagesmüdigkeit, Stimmungsveränderungen und eine verminderte Konzentrations- und Leistungsfähigkeit sind Folgeerscheinungen eines gestörten Schlafes. Die Betroffenen sind weniger leistungsfähig und häufiger krank, sie erleiden öfters als "schlafgesunde" Menschen Arbeits- und Autounfälle und haben insgesamt ein statistisch erhöhtes Sterberisiko. Unter der Beteiligung der Universität Regensburg wurde in Europa eine Sleep-EVAL Telefonumfrage zum Schlaf durchgeführt. Univ. Prof. Dr. Göran Hajak: "Fast die Hälfte der Patienten mit einer erhöhten Tagesmüdigkeit erleiden zum Teil lebensgefährliche Autounfälle." Gegen das Mythos ungesunder Schlaf nach Mitternacht Der Traum vom Schlaf und seine Mythen. Jeder Mensch hat sein individuelles Schlafbedürfnis und benötigt unterschiedlich viel Schlaf. Wichtig ist es jedoch mit den Mythen rund um den gesunden Schlaf aufzuräumen. Prim. Univ. Doz. DDr. Michael Lehofer von der Landesnervenklinik Sigmund Freud Graz: "Dass Schlaf vor Mitternacht erholsamer sei, oder dass der Mensch mindestens acht Stunden Schlaf braucht, sind typische Fehlvorstellungen über den Schlaf. Wir wollen die Menschen zu einer aktiven und positiven Gestaltung des Schlafes auffordern. Dazu zählen Schlafhygiene und richtige Ernährung am Abend ebenso, wie Einschlafrituale oder psychologische Entspannungsverfahren." Doch nur über eine sachgemäße Diagnose sollte eine ärztliche Therapie erfolgen. Wird ein Arzneimittel verschrieben, sollte dies zumindest mit einer nicht-medikamentösen Maßnahme kombiniert werden. Hajak jedenfalls hatte in der Nacht auf Mittwoch keine Schlafstörungen: "Ich habe gut geschlafen. Ich war im 'Sacher' heute." (APA)