Sachpolitik
Koalitionsstreit ums Kindergeld weitet sich aus
Bartenstein verteidigt Einschleifregelung - Öllinger: "Tägliche Steigerung der Chaos-Dosis"
Wien - In der Koalition streitet man weiter über das Kindergeld. FP-Generalsekretärin Theresia Zierler nannte am Mittwoch die
jüngsten Vorschläge der ÖVP "rein auf den Wiener Wahlkampf zugeschnitten". Dabei bezog sie sich in erster Linie auf die Forderung von
Wirtschaftsminister Martin Bartenstein (V), eine Einschleifregelung bei der Zuverdienstgrenze einzuführen. Vizekanzlerin Susanne
Riess-Passer (F) hatte diese Forderung schon am Dienstag als "Quatsch" zurückgewiesen. Ungeachtet dessen steht der Wirtschaftsminister zu
seiner Idee.
Bei einem Pressegespräch betonte Bartenstein, dass eine Einschleifregelung "gut und sinnvoll" sei: "Es kann nicht sein, dass jemand, nur weil er
205.000 S und nicht 200.000 S verdient hat, plötzlich 72.000 S zurückzahlen muss." Die ÖVP sei für einen Jahresdurchrechnungszeitraum
wie auch in anderen Bereichen. Die genaue Ausgestaltung bleibe dem Finanzminister überlassen. Die harsche Kritik Riess-Passers wollte
Bartenstein "nicht qualifizieren".
Zierler kritisierte dagegen auch das Vorhaben des Wirtschaftsministers, eine Möglichkeit zur steuerlichen Absetzbarkeit von Kinderbetreuung
zu schaffen: Die von der ÖVP geforderten Ausnahmeregelungen für Besserverdienende seien für die FPÖ "keine vordringliche Problematik".
Dies sieht VP-Generalsekretärin Maria Rauch-Kallat anders: "Gerechtigkeit heißt auch, dass es nicht sein kann, dass eine Zahnärztin die
Kosten für eine Bedienerin von der Steuer absetzen kann, eine Frau, die etwas mehr als 200.000 Schilling dazuverdient, aber nicht."
Aber auch innerhalb der Freiheitlichen ist man sich bezüglich der genauen Ausgestaltung des Kindergelds nicht so recht einig. Zierler suchte
am Mittwoch gemeinsam mit der oberösterreichischen Landesrätin Ursula Haubner Sozialminister Herbert Haupt (F) auf, um eine Ausweitung
des Kündigungsschutzes zu besprechen. Gegenüber den bisher vereinbarten 24 Monaten wollen die FP-Frauen "auf jeden Fall eine
Verbesserung". Sowohl Haupt als auch Riess-Passer hatten ebenso wie die ÖVP eine Ausdehnung bisher als nicht sinnvoll erachtet, da sie
Beeinträchtigungen für den Wiedereinstieg in den Beruf befürchten.
Bei der Opposition sorgen diese Unklarheiten für Unverständnis. SP-Bundesgeschäftsführerin Andrea Kuntzl meinte, es zeige sich immer
mehr, dass es sich auch bei der Präsentation des Kindergeldes um eine "Husch-Pfusch-Aktion" handle. Der Grüne Sozialsprecher Karl
Öllinger sprach von einer "täglichen Steigerung der Chaos-Dosis" durch die Regierung. Sozialminister Haupt erweise sich beim Kindergeld als
"völlig ahnungslos". (APA)