Wien - Aufregung gab es am Mittwoch wegen eines angeblichen "Geheimpapiers", das eine Zerschlagung der ÖBB in drei Gesellschaften - zwei Infrastrukturgesellschaften und eine Betriebsgesellschaft - vorsehen soll. Das Magazin "News" berichtet in seiner Donnerstag-Ausgabe: "Roter Riese ÖBB steht vor Zerschlagung". Allerdings wird von anderer Seite vermutet, dass es sich dabei um ein bereits bekanntes Konzept handelt, das bereits vor Wochen in einer politischen Arbeitsgruppe der ÖVP-Minister Martin Bartenstein, Willi Molterer und VP-Verkehrssprecher Helmut Kukacka erarbeitet wurde. Dieses Konzept entstammt der Feder von SCHIG-Geschäftsführer Helmut Falschlehner, der sich dabei auf die Mitarbeit von ÖBB-Fachleuten, darunter Infrastrukturchef Helmut Hainitz, stützte. Auf Anfrage wusste die Pressesprecherin von Bartenstein, Ingrid Nemec, nichts von einem "neuen Geheimpapier". Sie vermutet, dass es sich um die bereits bekannte Studie handelt, die schon vor Wochen Medien zugespielt wurde. Auch bei der Eisenbahnergewerkschaft wusste nichts von einem neuen Privatisierungskonzept für die ÖBB. Falschlehner verwies darauf, dass er der Autor des ÖBB-Konzepts sei und dass er dieses im ersten Entwurf gemeinsam mit ÖBB-Fachleuten, darunter Hainitz, ausgearbeitet habe. Infrastrukturministerin Monika Forstinger (F) sei daraufhin das Papier von den zuständigen ÖVP-Ministern präsentiert worden, vor allem da Molterer in der Gruppe der Koalitionsverhandler gewesen sei. Falschlehner vermutet, dass ÖBB-Generaldirektor Helmut Draxler "das Papier an Medien weitergegeben haben könnte". "Zerschlagung in drei Bereiche" In dem Papier, von "News" als "streng vertraulich" bezeichnet, ist die Rede von einer "Zerschlagung" der ÖBB in drei Bereiche:
  • Erstens eine Schienen-Infrastrukturgesellschaft, in die der gesamte Immobilienbesitz der Bahn sowie die Sondergesellschaften HL-AG, Brenner Eisenbahn AG und die SCHIG-GesmbH eingebracht werden. Diese benötige dann keine Bundeshaftung mehr, wodurch die jährlichen Infrastrukturinvestitionen von rund 12 Mrd. S laut Maastrichtkriterien nicht mehr budgetrelevant wären.

  • Zweitens eine Schienen-Betriebsgesellschaft. Diese hebt Benützungsgebühren ein und zahlt Pacht an die Infrastrukturgesellschaft. Die beiden Infrastrukturgesellschaften sollen im Bundesbesitz verbleiben.

  • Drittens ist von einer ÖBB AG die Rede, die sich um Betrieb, also Loks und Waggons, Autobus- und Speditionsbetrieb, kümmert und privatisiert werden soll. In diese Gesellschaft soll auch die erst kürzlich zur ÖIAG gewanderte Postbus-Gesellschaft eingegliedert werden. Diese ÖBB AG solle zumindest zu 49 Prozent verkauft werden. Notfalls auch an heutige private ÖBB-Konkurrenten, beispielsweise den Speditionsmulti DHL.
"Betriebswirtschaftlicher Unsinn" Bei den Oppositionsparteien hat die "News"-Geschichte schon heute Reaktionen ausgelöst. SPÖ-Bundesgeschäftsführerin Doris Bures nannte eine Zerschlagung der ÖBB einen betriebswirtschaftlichen Unsinn, da damit Synergieverluste in Höhe von 1,5 Mrd. S zu erwarten wären. "Eine Privatisierung, die nur rasches Geld für den Finanzminister im Auge hat und völlig auf die Bedürfnisse der Fahrgäste vergisst", wäre für die Grünen undenkbar, melden diese in einer Aussendung. Grünen-Verkehrssprecherin Eva Lichtenberger bezeichnete eine Debatte über die Neustrukturierung der ÖBB als notwendig, da die Ideen der Regierung offensichtlich unausgegoren seien. Dringender als die parteipolitische Zerschlagung der ÖBB wäre die Lösung aktueller bahnpolitischer Fragen, wie Nebenbahnen, Bahnhofssanierung und die Rücknahme "kundenfeindlicher Entscheidungen wie der Vorteilscard". (APA)