Wien - Chemie und Physik können zwar den Aufbau der Materie theoretisch erklären, effektiv zusehen, wie sich etwa Atome zu einem Molekül zusammenfügen, gelingt bisher aber nur in Ansätzen. Durch das geplante Projekt "Tesla", bei dem Wissenschafter aus der ganzen Welt zusammenarbeiten, könnte sich das schon bald ändern, berichtete Jochen Schneider, Direktor am deutschen Forschungszentrum DESY, bei einem Vortrag im Rahmen der "Schrödinger Lectures" der Österreichischen Akademie der Wissenschaften Mittwoch Abend in Wien. Durch "Tesla" - das derzeit noch im Begutachtungsstadium ist - wollen die Wissenschafter nämlich den lange gehegten Traum eines so genannten Röntgen-Lasers verwirklichen. Dieser soll, wie der Name schon sagt, die Vorteile von Röntgen-Strahlung und Laser-Technologie miteinander verbinden und so Bilder vom Aufbau der Materie liefern, die nie ein Mensch zuvor gesehen hat. Röntgen-Strahlen haben eine tausendfach kürzere Wellenlänge als die des sichtbaren Lichts, daher gelingt auch die Auflösung kleiner und kleinster Teile. Synchrotron-Strahlung Durch kontinuierliche Verbesserung der 1895 entdeckten Röntgen-Strahlung ist es den Physikern gelungen, in die atomare Welt vorzustoßen. Vor allem die Verwendung der so genannten Synchrotron-Strahlung - sie ist ausschließlich in Beschleunigern und bei Energien nahe der Lichtgeschwindigkeit zu erzeugen - anstatt der guten alten Röntgenröhre lieferte entscheidende Fortschritte. Um in immer kleinere Dimensionen vorzudringen zu können, braucht es allerdings hohe Beleuchtungsstärken. In den vergangenen 40 Jahren hat man die Intensität der Synchrotron-Strahlung alle zehn Jahre um den Faktor 1.000 erhöhen können. So gelingt es mittlerweile, Moleküle abzubilden. Allerdings müssen diese Moleküle als Kristall vorliegen, wobei auch Proteine - Eiweiße - in eine Kristallform gezwungen und dann betrachtet werden können. Doch mittlerweile ist eine theoretische Grenze der Technologie absehbar, um noch tiefer in die Materie einzudringen, bedarf es daher grundsätzlich neuer Konzepte. Freie-Elektronen-Laser Schon vor einiger Zeit ist es am DESY geglückt, Elektronen derart zu beschleunigen und auf Slalom-Bahnen zu schicken - die Forscher sprechen von undulierenden Bahnen - dass dabei Laser-Licht emittiert wird. Das Ganze wird Freie-Elektronen-Laser genannt. Im Gegensatz dazu verwenden herkömmliche Laser-Quellen optische Spiegel, was die mögliche Wellenlänge nach unten begrenzt. Mit FEL ist dieses Manko allerdings umgangen, der Bereich der Röntgen-Strahlung könnte so erreicht werden. Ein derartiger Röntgenlaser würde eine zehn Milliarden mal höhere Leuchtstärke erreichen als die besten Synchrotron-Quellen, berichtete Schneider. Damit könnte entsprechend tiefer in die Welt der kleinsten Teilchen vorgedrungen werden, aber damit nicht genug. Der Laser gestattet auch extrem kurze Lichtblitze von rund 100 Femtosekunden, wobei eine Femtosekunde der billiardste Teil einer Sekunde ist. Damit wäre man in einer Dimension angelangt, wo man durch die Aufnahme derart kurzer Blitze erstmals das Entstehen oder Aufbrechen von chemischen Bindungen tatsächlich auf atomarer Ebene tatsächlich beobachten könnte. Dann wird sich auch herausstellen, ob die bisherigen Theorien richtig sind. (APA)