International
Staatsvertrag: Verzicht Österreichs auf Forderungen gegen Deutschland
Staatsrechtler: Gilt auch für Forderungen von Banken gegen Banken
Wien - Österreich hat 1955 mit dem Staatsvertrag "im eigenen
Namen und im Namen der österreichischen Staatsangehörigen auf alle am
8. Mai 1945 noch offenen Forderungen gegen Deutschland und deutsche
Staatsangehörige" (Artikel 23, Abs. 3) verzichtet. Ausgenommen sind
nur Ansprüche, die vor dem 13. März 1938 entstanden sind. Dieser
Forderungsverzicht gelte für natürliche und für juristische Personen,
also auch für Banken, erklärte der Staatsrechtler Theo Öhlinger am
Donnerstag auf Anfrage der APA. Die Bank Austria hat in ihrem
NS-Entschädigungsvergleich noch offene Forderungen gegenüber
deutschen Banken und Finanzinstitutionen an NS-Opfer abgetreten.
Öhlinger, Vorstand des Instituts für Staats- und Verwaltungsrecht
an der Uni Wien, sagte, alle im Zusammenhang mit Kriegsfolgen
entstandenen Ansprüche müssten vom Staat durchgesetzt werden.
Umgekehrt bedeute der Forderungsverzicht, dass Staatsangehörige ihre
Ansprüche verlieren. Dies gelte etwa auch im Zusammenhang mit
ehemaligen Zwangsarbeitern, wenn deren Heimatstaaten auf Reparationen
seitens Österreich verzichtet haben. Diese Personen hätten daher
keine juristischen Ansprüche mehr, weshalb immer wieder die
moralische Dimension der Entschädigungen betont worden sei.
Im Folgenden Artikel 23 des Staatsvertrages von Wien, der am 15.
Mai 1955 in Wien unterzeichnet worden ist, im Wortlaut (Quelle:
Rechtsinformationssystem des Bundes
)
"Artikel 23. Österreichisches Vermögen in Deutschland und Verzicht
Österreichs auf Forderungen gegenüber Deutschland
1. Vom Zeitpunkt des Inkrafttretens des vorliegenden Vertrages ist
das in Deutschland befindliche Vermögen der österreichischen
Regierung oder österreichischer Staatsangehöriger einschließlich von
Vermögen, das nach dem 12. März 1938 gewaltsam aus dem
österreichischen Staatsgebiet nach Deutschland verbracht worden ist,
seinen Eigentümern wieder zurückzugeben. Diese Bestimmung bezieht
sich nicht auf das Eigentum von Kriegsverbrechern oder Personen, die
den Strafbestimmungen der Entnazifizierungsmaßnahmen unterliegen;
solches Vermögen wird der österreichischen Regierung zur Verfügung
gestellt, sofern es nicht gemäß den in Deutschland nach dem 8. Mai
1945 in Kraft stehenden Gesetzen oder Verordnungen blockiert oder
konfisziert wurde.
2. Die Wiederherstellung österreichischer Vermögensrechte in
Deutschland ist im Einklang mit Maßnahmen durchzuführen, die durch
die Besatzungsmächte in Deutschland in ihren
Besatzungszonenfestgelegt werden.
3. Unbeschadet dieser und aller anderen zugunsten Österreichs und
österreichischer Staatsangehöriger getroffenen Verfügungen der
Besatzungsmächte in Deutschland verzichtet Österreich, unbeschadet
der Giltigkeit (Anm.: richtig: Gültigkeit) bereits getroffener
Regelungen, im eigenen Namen und im Namen der österreichischen
Staatsangehörigen auf alle am 8. Mai 1945 noch offenen Forderungen
gegen Deutschland und deutsche Staatsangehörige, mit Ausnahme jener,
die aus Verträgen und anderen Verpflichtungen stammen, die vor dem
13. März 1938 eingegangen wurden sowie der vor dem 13. März 1938
erworbenen Rechte. Dieser Verzicht umfaßt alle Forderungen
hinsichtlich der während der Zeit der Annexion Österreichs durch
Deutschland durchgeführten Transaktionen und alle Forderungen
hinsichtlich der während dieses Zeitraumes erlittenen Verluste oder
Schäden, insbesondere hinsichtlich der im Besitz der österreichischen
Regierung oder österreichischer Staatsangehöriger befindlichen
öffentlichen deutschen Schulden und der Zahlungsmittel, die zur Zeit
der Geldkonversion eingezogen wurden. Solche Zahlungsmittel sind bei
Inkrafttreten des vorliegenden Vertrages zu vernichten." (APA)