Frankfurt - Führende Notenbanker der EZB haben am Donnerstag deutlich auf trübere Wachstumsaussichten für die Euro-Zone hingewiesen, was Analysten zufolge eine Leitzinssenkung im April wahrscheinlicher macht. Die Risiken für eine Wachstumsabschwächung seien seit Ende 2000 sicherlich gestiegen, sagte EZB-Chefvolkswirt Otmar Issing. Auch Direktoriumsmitglied Tommaso Padoa-Schioppa sagte, das Wachstum habe sich etwas verlangsamt. Er bekräftigte aber wie schon zuvor EZB-Chef Wim Duisenberg die abwartende Haltung der EZB in der Zinspolitik. Die europäischen Rentenkurse stiegen, weil Investoren vor allem wegen Issings Aussagen mit einer baldigen Zinssenkung rechneten. Nach den Worten von Österreichs Finanzminister Karl-Heinz Grasser ist die Zeit für eine Zinssenkung der Europäischen Zentralbank (EZB) langsam reif. Anders als die Notenbanken in den USA und Japan hat die EZB ihre Geldpolitik seit Herbst 2000 nicht gelockert. Die EZB hatte dies stets mit den Inflationsrisiken in der Euro-Zone begründet und auf das nach wie vor robuste Wachstum verwiesen. Duisenberg hatte mehrfach ein Wachstum von rund drei Prozent für 2001 in Aussicht gestellt. Die schwache US-Wirtschaft dürfte nur einen begrenzten Einfluss haben, denn die Euro-Zone sei nicht mehr so exportabhängig wie die einzelnen Länder vor Beginn der Währungsunion, hatte Duisenberg gesagt. Die Risiken für die Preisstabilität seien mittlerweile ausgeglichener als Ende 2000. "Aber ausgeglichener heißt nicht, dass man sofort handeln muss. Wir werden abwarten", hatte er bekräftigt. "Unsicherheit hat zugenommen" Während der EZB-Präsident offenbar an seinem positiven Ausblick für die Euro-Zone festhielt, schien Chefvolkswirt Issing die Lage pessimistischer zu beurteilen. Die Risiken für ein schwächeres Wachstum in der Euro-Zone hätten sich seit Jahresende verstärkt. "In den vergangenen Wochen hat diese Tendenz angehalten und die Unsicherheit zugenommen", sagte Issing dem "Wall Street Journal Europe" (Donnerstagausgabe). Auf eine genaue Wachstumsprognose legte Issing sich nicht fest und wiederholte auch nicht die EZB-Prognose von rund drei Prozent. "Jede Zahl nahe am Potenzialwachstum ist für mich eine gute Nachricht. Sie zeigt, was ich unter robustem Wachstum verstehe." Das Potenzialwachstum liegt der EZB zufolge bei 2,0 bis 2,5 Prozent. Den unerwartet starken Rückgang des Ifo-Indexes für Februar auf den niedrigsten Stand seit Juli 1999 hatten Analysten als klares Signal einer deutlichen Konjunkturabkühlung in Deutschland und der Euro-Zone gewertet. Die deutsche Volkswirtschaft trägt rund ein Drittel zur Gesamtleistung der Euro-Zone bei. "Das ist natürlich keine gute Nachricht", sagte Issing. Insbesondere der anhaltende Rückgang des Stimmungsbarometers für die Industrie sei Grund zur Besorgnis. Neben Issing hatte auch Padoa-Schioppa am Mittwochabend in Washington auf eine schwächere Konjunktur hingewiesen. "In den vergangenen drei Monaten hat sich das Wachstum in der Euro-Zone verlangsamt, nicht scharf aber marginal", sagte er und bekräftigte, die EZB habe mittlerweile eine "abwartende Haltung" zu Zinsänderungen. Dies bedeute, dass es "keinen klaren Hinweis darauf gibt, wann und welcher Art der nächste Schritt" der EZB sein werde, fügte er hinzu. Grasser: "Die Zeit wird langsam reif" Unterdessen sprach sich der österreichische Finanzminister Karl-Heinz Grasser für eine baldige Zinssenkung aus. "Die Zeit wird schon langsam reif. Natürlich muss man inflationäre Tendenzen beobachten, aber ich glaube, für die EZB ist es wichtig, die gesamtwirtschaftliche Entwicklung zu sehen", sagte Grasser am Donnerstag der Nachrichtenagentur Reuters. Ungeachtet der Duisenberg-Kommentare sei eine milderer Ton der EZB-Spitze zu erkennen, sagten Analysten. "Ich glaube nicht, dass der EZB-Rat sich schon über eine Zinssenkung einig ist, und das Treffen am 29. März ist dafür wohl noch zu früh", sagte Rainer Guntermann von Dresdner Kleinwort Wasserstein. Aber eine Senkung im April werde immer wahrscheinlicher.(APA/Reuters)