Wer Ambulanzgebühr schon gezahlt hat, hat Pech gehabt. Wer die Frühpension mit Verspätung antreten musste, ebenfalls. So sagt's der Verfassungsgerichtshof. Wenn es so weitergeht, wird es beim Kindergeld nicht anders sein. Wer zu viel dazuverdient hat, dem wird es nachträglich gestrichen werden, wenn es nach der Vizekanzlerin geht. Und wenn es der Verfassungsgerichtshof nachher nicht (für die, die sich beschweren) doch wieder zuerkennt. Alle anderen dürfen sich dann als hochoffiziell ernannte Pechvögel verstehen. Worum geht es? Arbeitsminister Martin Bartenstein und VP-Generalsekretärin Maria Rauch-Kallat sprechen sich für eine Einschleifregelung bei der Zuverdienstgrenze zum Kindergeld aus. Wer am Jahresende draufkommt, dass er - in den meisten Fällen wird es eine Sie sein - mehr als die erlaubten 200.000 Schilling "dazuverdient" hat, soll nur das "überschüssige" Geld zurückzahlen müssen. "Quatsch", kommentierte die Vizekanzlerin. Entweder man bekomme das Kindergeld oder nicht. Das Grundproblem beim Kindergeld trifft die Debatte um die Zuverdienstgrenze aber nicht. Wäre die Regierung beim Kindergeld, das als "Familienleistung" gedacht ist, wirklich konsequent gewesen, hätte sie die 6000 Schilling monatlich ohne Zuverdienstgrenze an alle - entkoppelt von Versicherungsleistungen wie dem Karenzgeld oder beruflichem Engagement - ausschütten müssen. Familie ist Familie. Was den Hautgout einer "sozialistischen Gießkannenaktion" gehabt hätte. Echte Wahlfreiheit - vor allem für Frauen - wird dadurch nicht geschaffen. Dafür wären mehr Kinderbetreuungsplätze und offensive Maßnahmen zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie notwendig. Denn es gibt ein Leben nach den ersten drei Lebensjahren des Kindes. Berufliche Karrierewünsche inklusive. (DER STANDARD, Print-Ausgabe vom 23.3.2001)